Eröffnung des Forschungsschwerpunkts: Präventives Selbst
Große Teile der Bevölkerung vor allem der westlichen Welt werden immer
dicker und leiden zunehmend und immer früher unter
Herzkreislauferkrankungen. Wirksame Konzepte, diesem Trend zu begegnen,
sind Mangelware. Trotzdem werden medizinische, volkswirtschaftliche und
politische Rufe nach Prävention und Gesundheitsförderung immer lauter:
Präventionsprogramme werden gestartet und Informationskampagnen
vorangetrieben. Diese Entwicklungen zeitigen Veränderungen von
gesellschaftlichem Alltag und professioneller Praxis, die unter anderem
Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft und Politik betreffen. Der
Forschungsschwerpunkt Präventives Selbst (FpS) untersucht aus
historischer, wissensoziologischer, sozialanthropologischer und
medizinischer Perspektive diese Veränderungen anhand des Themengebiets
Herzkreislaufprävention.
Der Forschungsschwerpunkt: Präventives Selbst (www.csal.de) wird am Institut für
Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin koordiniert
und in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin
für Sozialforschung, der Charité Universitätsmedizin Berlin und der
Universität Hamburg BIOGUM durchgeführt.
Vier Teilprojekte widmen sich der Frage, in welchem Maße sich
Repräsentationen des Menschen in den
letzten 100 Jahren vor dem Hintergrund des bedeutenden
Wissenszuwachses in den Lebenswissenschaften verändert haben. Diese
Frage wird am Beispiel der historischen Entwicklung und der aktuellen
Praxis kardiovaskulärer Prävention und Gesundheitsförderung erforscht.
Dieses Feld ist vor allem deshalb von besonderem Interesse, da sich
hier – bisher weitgehend unbemerkt von Geisteswissenschaften und
Sozialforschung – ein von Medizin, Psychologie und Ökonomie geprägtes
Feld entwickelt hat, das zunehmend einen massiven Einfluss auf soziale
Alltage entfaltet.
Am Beispiel der Gesundheitsuntersuchung („Check up“ ab 35 Jahre) in
der Hausarztpraxis und Präventionsprogrammen in Kindergärten und
Schulen kann daher gut untersucht werden, wie diese auf soziale Praxis,
d.h. auf gesellschaftlichen Alltag, rückwirken und so Vorstellungen und
Praxen des Selbst und von Körperlichkeit, Formen von sozialer Beziehung
und Familiarität verändern. Des Weiteren stellt die
Herzkreislaufprävention ein Feld dar, das in Medizin und
Gesundheitspolitik mindestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine
gleich bleibend hohe Aufmerksamkeit
genießt – wobei jedoch die der Präventionspolitik explizit zugrunde
liegenden ätiologischen Modelle ebenso wie die implizit vorausgesetzten
Konstruktionen des „präventiven Selbst“, also des idealen, an seiner
Gesundheit arbeitenden Individuums, einem bedeutenden historischen
Wandel ausgesetzt waren.
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm
„Geisteswissenschaften im Gesellschaftlichen Dialog“, Sektion
Anthropologie.
Sprecher: Prof. Dr. Stefan Beck
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Europäische
Ethnologie
Kontakt:
Dr. Jörg Niewöhner, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für
Europäische Ethnologie, Mohrenstr. 41, 10117 Berlin, Tel.: +49
(0)30
2093 3716, FAX: +49 (0)30 2093 3739
joerg.niewoehner@staff.hu-berlin.de - www.csal.de
Teilprojekt I: Institut für Europäische Ethnologie, Labor:
Sozialanthropologie und Lebenswissenschaften, Humboldt-Universität zu
Berlin
Repräsentationen des Menschen als Leitbild in sozialer und
professioneller Praxis – eine
symmetrische Untersuchung am Beispiel kardiovaskulärer
Präventionsprogramme
Prof. Dr. Stefan Beck, Dr. Jörg Niewöhner, Dr. des. Michalis
Kontopodis,
Tom Mathar:
joerg.niewoehner@staff.hu-berlin.de
Teilprojekt II: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Genese und Entwicklung präventiver Gesundheitsvorsorge in
Deutschland
(1918-1995)
PD Dr. Dieter Gosewinkel, PD Dr. Martin Lengwiler, Dr. Jeannette
Madarász
madarasz@wz-berlin.de
Teilprojekt III: Institut für Allgemeinmedizin, Charité
Universitätsmedizin Berlin
Gesundheit, Krankheit, soziale Praxis
Übergewicht junger Menschen im Fokus von medizinischer
Prävention,
hausärztlicher
Betreuung, Kommunikation und sozialer Herkunft
Prof. Dr. Vittoria Braun, Dr. Christoph Heintze, Dr. Anja
Dieterich
christoph.heintze@charite.de
Teilprojekt IV: FSP BIOGUM, Universität Hamburg
Krankheitsursachen und Prävention: Konkurrierende Hypothesen zum
Verhältnis zwischen
Innen und Außen beim Metabolischen Syndrom
Prof. Dr. Regine Kollek, Dr. Martin Döhring
kollek@uni-hamburg.de,
doehring@metaphorik.de