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T-IV. MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN VON ZEUGENSCHAFT IN DEN ROMANISCHEN LITERATUREN
Sektionsleitung: Alexandra Ortiz Wallner (FU Berlin), Claudia Nickel (Hamburg)
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts entstehen in den romanischen Literaturen vermehrt Texte, die sich als Zeugnis verstanden wissen wollen. Abhängig vom historischen und kulturellen Kontext bezieht sich der Begriff des Zeugnisses auf unterschiedliche Phänomene und Ausprägungen. So beschreibt ‚testimonio' seit den 1960er Jahren jene Texte in der lateinamerikanischen Literatur, in denen die Lebensgeschichte von bisher marginalisierten Bevölkerungsgruppen erzählt wird. In der europäisch geprägten Literatur- und Kulturwissenschaft wird das Konzept ‚témoignage' vor allem in Verbindung mit den Ereignissen des Holocaust und ihrer sprachlichen und literarischen Verarbeitung durch die Überlebenden genutzt.
Trotz der unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexte lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen. Zeugnistexte fungieren als "Archiv der Erinnerung" (Segler-Meßner 2005) in denen der Zeuge für etwas steht, das ansonsten "dem Vergessen oder dem Verdrängen preisgegeben" wäre (Baer 2000). Bezeugt werden Ereignisse und Erfahrungen unterschiedlicher Art, z.B. Gewalt, Krankheiten und Naturkatastrophen. Die Textproduktion ist sehr heterogen und umfasst sowohl Texte öffentlicher als auch privater Art wie Berichte der Wahrheitskommissionen, Chroniken, Interviews, Tagebücher, Erzählungen und Romane. Zeugenschaft situiert sich somit in einem Spannungsfeld von historischer Aufarbeitung, Psychoanalyse und Literatur. Der vielschichtige Prozess des Zeugnisablegens wirft weitere Fragen auf, die in der Sektion - innerhalb der Romanistik (Sprach-, Literatur-, Kulturwissenschaften) und im Austausch mit anderen Fachdisziplinen - diskutiert werden sollen: Status des Zeugen, Authentizität des Zeugnisses, Repräsentation und Literarisierung, Adressaten, Rezeption und Funktionen von Zeugnissen.
Der Schwerpunkt wird in der Sektion bewusst auf das Medium Text gelegt, um literarische, ästhetische und narratologische Mittel und Aspekte herauszuarbeiten, die den verschriftlichten Prozess des Bezeugens charakterisieren. Aktuelle Debatten zeigen, dass "eine strikte Trennung zwischen ästhetischen und ethischen Kriterien nicht mehr aufrecht erhalten [werden] kann" (Walter 2006) und fiktionale und diktionale Elemente ineinandergreifen. Ziel ist es, die verschiedenen Textformen des Zeugnisses, aber auch die unterschiedlichen Beschreibungsansätze auf Differenzen und Parallelen hin zu untersuchen. Eine Begrenzung auf eine bestimmte historische Epoche wird dabei nicht vorgenommen, um Momente und Entwicklungen von Zeugenschaft sichtbar zu machen.
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