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Sektionsbeschreibung                                                      italiano


L-II. "PARLANDO COSE CHE 'L TACERE È BELLO" - DIALOGINSZENIERUNGEN IN DER ITALIENISCHEN LITERATUR: VOM "DIALOGO COI MORTI" ZUM "DIALOGO DELLA COSCIENZA"

Sektionsleitung: Roberto Ubbidiente (HU Berlin), Massimiliano Tortora (Perugia)


Die verschiedenen Formen von Dialogizität haben im Laufe der Literaturgeschichte unterschiedliche "Dramatisierungen" erfahren. Solche Dialoginszenierungen sind in der italienischen Literatur in paradigmatischer Form zu finden und haben zur Herausbildung eines regelrechten Topos beigetragen.

Bereits in Dante werden antike Autoren im Rahmen eines intertextuellen Dialogs mit den Quellen zu Schlüsselfiguren einer Selbstinszenierung des Poeta.
    Da ch'ebber ragionato insieme alquanto,
    volsersi a me con salutevol cenno,
    e 'l mio maestro sorrise di tanto;
    e più d'onore ancora assai mi fenno,
    ch'e' sì mi fecer de la loro schiera,
    sì ch'io fui sesto tra cotanto senno.
    (Inf., IV, 97-102)
Die somit erfolgende Aufnahme in den Kreis der Vorbilder kennzeichnet einen legitimierenden Dialog mit den Klassikern, der ausschließlich aus einer freien Entscheidung der aufnehmenden "bella scola" herausgeht, was als Zeichen einer besonderen Ehre gilt. Diese Ehre manifestiert sich vor allem in der Teilnahme am kreisinternen Austausch ("parlando cose che 'l tacere è bello, / sì com'era 'l parlar colà dov'era." Inf. IV, 104-5), wodurch der Poeta seinen eigenen Platz im Schoß von Seinesgleichen findet. Insbesondere diese "Stellung"-Thematik weist auf den Theatralisierungsaspekt dieses Topos' hin.

Ein Paradebeispiel dafür findet sich in Machiavellis berühmten Brief an Francesco Vettori (10. Dezember 1513), der die Dramatisierung des Vorbilderdialogs vor allem durch dessen Verräumlichung gestaltet (Kleidungswechsel vor dem Betreten des Arbeitszimmers, in dem die Klassiker ausgefragt werden, räumliche Trennung zwischen dem gemeinen Bereich des Hauses und dem "scrittoio"). Das Arbeitszimmer, in dem der Dialog mit den Vorbildern "über die Bühne" geht, wird zum locus deputatus einer Selbstinszenierung des Autors im Dialog mit seinen Gleichgesinnten.

In einer späteren, materialistisch ausgerichteten Abwandlung des dieses Motivs verwandeln sich die einstigen Vorbilder in gemeine "Tote". Der Topos des "Dialogo coi morti" erreicht in der italienischen Literatur des 18.-19. Jhdts mit Giuseppe Colpanis gleichnamigem Werk und vor allem mit dem Coro dei morti nello studio di Federico Ruysch von Giacomo Leopardi zwei seiner Höhepunkte.

Anfang des 20. Jhdts erfährt dieses Motiv einen entscheidenden Interiorisierungsprozess durch Luigi Pirandello. Dabei treten unbekannte fiktive Figuren vor das geistige Auge des Autors und drängen ihn dazu, ihre Geschichte zu erzählen. Das "Theater" hat sich somit in des Schreibenden Innere versetzt, wobei die einstigen "Toten" zu "Gespenstern" geworden sind, die das Bewusstsein des Autors bevölkern. (vgl. La tragedia di un personaggio, Colloqui coi personaggi, Sei personaggi in cerca d'autore).

Am Ende dieses Interiorisierungsprozesses hat sich der "Dialogo coi morti" in einen "Dialogo della coscienza" verwandelt, bei dem der Autor gegen die von seinem Unbewusstsein hervorgebrachten "Gespenster" zu kämpfen hat.


Kontakt: robertoberl@yahoo.de







  

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