Tagungsthema
Gesamtübersicht
Sektionen
Literaturwissenschaft
Sprachwissenschaft
Transversale Sektionen
Didaktik
Rahmenprogramm
Downloads
|
Sektionsbeschreibung
T-VI. ÜBERALL DER ANDERE/ "CECI N'EST PAS L'AUTRE" - DISKURSIVIERUNG VON ALTERITÄT IN TEXTEN DES 16.-19. JAHRHUNDERTS
Sektionsleitung: Susanne Greilich (Regensburg), Karen Struve (Bremen)
Barbaren, Türken, Wilde und Indianer bevölkern seit dem 16. Jh. nicht nur die schöngeistige Literatur, sondern ebenso sehr Reisetexte, Enzyklopädien, philosophische Traktate und historiographische Werke. Der Repräsentation bzw. Konstruktion des "Anderen" ging eine grundlegende Erfahrung von Alterität voraus, die man durch Klassifikation und Namensbelegung der unbekannten Flora, Fauna und Sitten sowohl zu fassen wie zu beherrschen suchte. In naturwissenschaftlicher wie anthropologischer Hinsicht wurde das "Andere" in europäische Diskurse eingebettet (cf. Bitterli 1976, Lüsebrink 2006). Dies gilt sowohl für die Historias der Eroberung Amerikas des 16. und 17. Jhs. wie die im Gefolge der großen Entdeckungsreisen des 18. und 19. Jhs. stattfindende Auseinandersetzung mit dem Wesen des Fremden (cf. Todorov 1989): Über Kategorisierungs- und Hierarchisierungssysteme (Linné, Buffon, humboldtscher Kosmos) konnten nicht nur die dingliche Welt systematisch erfasst, sondern auch die konstatierten Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien hin zu einem europäischen Zivilisationsstatus erklärt werden. Zugleich entwickelten sich mit dem "bon sauvage" Projektionen auf andere Lebensformen als Antithese zur europäischen Zivilisation (cf. Fludernik 2002).
Fremdheitskonstruktionen sollen in der Sektion in einen doppelten Untersuchungshorizont gestellt werden: Zum einen soll es um die den jeweiligen Texten inhärenten Alteritätsdiskurse gehen, zum anderen um die Formen der Vertextung von Alterität durch narrative, intertextuelle, rhetorische Verfahren. Die Frage nach den Funktionen der Repräsentation "fremder" Artefakte führt "dingliche" wie anthropologische Untersuchungsachsen zusammen: Wie stellt sich die Diskursivierung des Anderen dar etwa in der Beschreibung von exotischen Gewürzen, Kaffee, spezifischen technischen Geräten (cf. Despoix 2009)? Auch bietet sich eine Analyse generischer Aspekte an, d.h. die Frage danach, wie sich die Diskursivierung von Alterität in Relation zur Gattung gestaltet. Hierbei können die Texte prinzipiell auf die Ambivalenz hin gelesen werden, die sich in den Konstruktionen von Eigenem und Fremdem entfaltet. Einerseits könnte man den Blick für alterisierende, exotisierende Mechanismen im Sinne eines postkolonialen "othering" offen halten, andererseits sind diese Konstruktionen stets in Wechselwirkung mit der literarischen Gestaltung von Selbstbildern zu denken (cf. White 1986, Hölz 2002).
Für das zu analysierende Korpus der Sektion bieten sich Texte der Gesamtromania in der Ära kolonialer Eroberung und Entdeckung an. Zu denken wäre etwa an die spanische Historiographie des 16. Jhs. und die durch die Conquista de America beeinflussten Texte der frz. und span. Literatur des 16. bis 18. Jhs., die wegweisenden Schriften von Montaigne und Montesquieu, an literarische und enzyklopädische Texte der Aufklärung, die sich in der höchst ambivalenten Simultanität von Humanitätsdiskursen, Zivilisationskritik und marginalisierenden Konstruktionen des Anderen ansiedeln, sowie an orientalistische Texte des 19. Jhs.
|
|