Literaturtheorie in der Kontroverse.

Eine Veranstaltungsreihe des wissenschaftstheoretisch-methodologischen Oberseminars und der Forschungsstelle Historische Epistemologie und Hermeneutik am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin

Sommersemester 2006
wöchentlich Montag, 18-21 Uhr im Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin; Schützenstr. 21 (MosseZentrum); Raum E 02



Die theoretische Modellierung des Umgangs mit literarischen Texten bildet eine zentrale Herausforderung der Philologien – und den Auslöser verschiedener, mitunter heftig ausgetragener Kontroversen. Fragen nach der spezifischen Qualität literarischer Texte, nach der Geltung von Bedeutungszuweisungen oder nach Kriterien für überzeugende Interpretationen führten ebenso zu Auseinandersetzungen wie die Konzeptualisierungen literaturgeschichtlicher Verlaufsformen und ihre Verknüpfung mit inner und außerliterarischen Kontexten. Diskussionen entzündeten sich aber auch an der editionsphilologischen Sicherung der Überlieferung, am Begriff des Autors als einer mehrfach dimensionierten Instanz in Text und Literatursystem sowie am Status der Literaturwissenschaft und der von ihr erzeugten Wissensansprüche. Eine historische Rekonstruktion dieser Debatten ist im deutschen Sprachraum ein Desiderat.

An dieser Stelle setzt das Projekt Literaturtheorie in der Kontroverse ein. Als Veranstaltungsreihe im Rahmen des wissenschaftstheoretischmethodologischen Oberseminars am Institut für deutsche Literatur im Sommersemester 2006 geplant und realisiert, werden Beiträger aus den Berliner Universitäten sowie auswärtige Kapazitäten zentrale literaturtheoretische Debatten rekonstruieren, um die Voraussetzungen und Verlaufsformen von Konsens und Dissens in der Literaturforschung analysieren und die aktuelle literaturtheoretische Diskussion mit historischen Grundlagen versehen zu können.

Literaturtheorie in der Kontroverse
versteht sich nicht als Konkurrenzunternehmen der gegenwärtig intensivierten Reflexionen zur systematischen Fundierung der textinterpretierenden Disziplinen, sondern vielmehr als deren komplementäre Ergänzung und Bereicherung. In der Konzentration auf Kontroversen – die sich dadurch auszeichnen, daß sich Beiträge nicht nur innerhalb eines geteilten thematischen Spektrums bewegen, sondern auf die Argumentation eines anderen Textes explizit eingehen – werden zum einen Muster und Verlaufsformen der Genese, Diskussion und Durchsetzung von Wissensansprüchen sichtbar. Die materialgesättigte Nachzeichung von Debatten ermöglicht zugleich eine Reflexion der Prämissen, die unterschiedlichen Argumentationen zugrundeliegen – und damit den Gewinn von Anschlußpotentialen für aktuelle Fragestellungen.

Um diese Ziele zu erreichen, sollen die argumentationstheoretisch wie historisch informierten Beiträge:
(a) die epistemischen und institutionellen Konstellationen von Kontroversen rekonstruieren;
(b) Konfliktparteien und ihre Positionen nachzeichnen;
(c) Verfahren zur Artikulation und die argumentative Struktur von Konsens und Dissens beschreiben;
(d) den „Ausgang“ der Debatte erläutern und ihre Bedeutung für die Entwicklung der relevanten Forschungsfelder markieren.

Ablauf:

Montag,
24. April

Ralf Klausnitzer (HU Berlin): Literaturtheorie. Entwicklung, Status, Perspektiven
Carlos Spoerhase (HU Berlin): Konsens und Dissens. Theorie und Praxis der Kontroverse in der Wissenschaft

Montag,
8. Mai

Dorit Müller (ZfL Berlin): Verstehen vs. Erklären: Literaturwissenschaft in der Auseinandersetzung mit psychologischen Konzepten 18901930

Montag,
15. Mai

Hans Harald Müller (Hamburg): Geistesgeschichte vs. Positivismus

Wolfgang Höppner (HU Berlin): Geistesgeschichte vs. Philologie: Gundolfs Goethe in der Kontroverse

Montag,
22. Mai

Lutz Danneberg (HU Berlin): Seinsphilosophie vs. werkimmanente Interpretation: Heidegger vs. Staiger

Montag,
29. Mai

Tom Kindt (Göttingen): Stanley Fish vs. Wolfgang Iser: Empirische vs. „hermeneutische“ Literaturwissenschaft

Montag,
12. Juni

Marcel Lepper (DLA Marbach): Baltimore 1966. Der Strukturalistenkongreß und seine Wirkungen

Matthias Aumüller (Hamburg): Strukturalismus und Kognitivismus

Montag,
19. Juni

Gideon Stiening (LMU München): Literaturtheoretische Probleme der Editionsphilologie. Am Beispiel der HölderlinAusgaben

26. Juni

Petra Boden (Zentrum für Literaturforschung, Berlin): Die Funktion der Literatur. "Exakte Literaturwissenschaft" vs. "Sozialgeschichte"

3. Juli

Jörg Robert (LMU München): Zentralbegriffe der FrühneuzeitForschung in der Diskussion

Montag,
10. Juli

Guido Naschert (LMU München); Ralf Klausitzer (HU Berlin):
Gattungstheoretische Debatten. Nominalismus vs. Realismus; Chicago Aristoteleans vs. New Criticism; Todorov vs. Kristeva etc.

Montag,
17. Juli

Dirk Werle (Universität Siegen): Searle vs. Derrida

Die im Rahmen der Veranstaltungsreihe diskutierten Vorträge sowie weitere Beiträge werden als Band 17 der Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik veröffentlicht. Da das Erscheinen dieses Bandes für das Frühjahr 2007 vorgesehen ist, bitten wir Vortragende und externe Beiträger um die Zusendung ihrer Texte bis zum 15. November 2006. Genaue Angaben zur Einrichtung des Manuskripts werden durch die Redaktion der Zeitschrift für Germanistik mitgeteilt.