Aktuelles
Projekt:
Das Jahr 1913. Eine medienhistorische Quellensammlung auf 2 DVD |
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Ausgangspunkt
für die entstehende
medienhistorische Quellensammlung waren eine Lehrveranstaltung meiner
Kollegin Dorit Müller zum Thema und ein Buch, das im
Frühjahr 1914 im Leipziger Teubner-Verlag erschien:
Möglicherweise findet diese
befremdlich anmutende Wahrnehmung des Literaturjahres 1913 durch den
zeitgenössischen Leser Richard Moritz Meyer eine
Erklärung, wenn die Differenz zwischen dem unmittelbaren Blick
des beteiligten Teilnehmers und dem retrospektiven Blick des
späteren Beobachters berücksichtigt wird. Historische
Distanz muß jedoch nicht bedeuten, daß der Blick
des späteren Beobachters einen wie auch immer privilegierteren
Status aufweist als die Wahrnehmung des zeitgenössischen
Akteurs. Auch wenn die Dichte von Informationen über bestimmte
Autoren, Verkehrsformen und Schreibverhältnisse mit wachsendem
zeitlichen Abstand zunehmen kann, haben spätere Beobachter und
Erforscher keinen per se „besseren“,
„genaueren“ oder „weiteren“
Zugang zu ihren
Forschungsgegenständen. Denn zwischen sie und die
entschwindenden historischen Phänomene schiebt sich mit jeder
dazu produzierten Textzeile eine weitere Schicht von Beobachtungen,
Deutungen und Erklärungen, die ihrerseits den Blick in einer
Weise modellieren, daß eine gleichsam
„unverstellte“ Begegnung mit Texten oder anderen
Artefakten kaum mehr möglich ist. Um es kurz und zugespitzt zu
sagen: Wenn der zeitgenössische Beobachter
Richard Moritz Meyer die literarische Welt des Jahres 1913 anders
beobachtet,
deutet und bewertet als späterer Literaturforscher, dann
muß
nicht unbedingt Richard Moritz Meyers Blickwinkel
eingeschränkt und
verengt sein. Er nimmt einfach andere Dinge wahr als ein
späterer Beobachter, dessen Perspektive schon von
vorfindlichen literaturgeschichtlichen Darstellungen und ihren mehr
oder weniger expliziten Auswahl- und Wertungskritierien
imprägniert ist.
Diese
Differenz zwischen der Wahrnehmung
des zeitgenössischen Beobachters und dem Blick des
retrospektiven,
von vorgängigen Auswahl- und
Bewertungskritierien vorgeprägten Literaturforschers
motivierte unser Unternehmen, mit den Mitteln des Speichermediums DVD
den literarischen Reichtum des Vorkriegsjahres 1913 in seinem
originalen Zustand zur Zeit seiner Entstehung zu erfassen und in einen
wechselseitigen Kontext mit Entwicklungen in Fotografie, Bildender
Kunst und Film zu stellen.
Die gegenwärtig entstehende DVD Das Jahr 1913. Texte, Bilder, Filme enthält in der Rubrik „Literarische Texte“ ausgewählte Einzelwerke, die als Einzelpublikationen im Jahr 1913 veröffentlicht wurden – von Gottfried Benns Gedichtsammlung Söhne über Franziska von Reventlows Roman Herrn Dames Aufzeichnungen bis zur Rilke-Biographie von Paul Zech. Sie enthält zum anderen den digital erfaßten Jahrgang 1913 ausgewählter literarischer Zeitschriften und Jahrbücher in gleichsam „zweifacher“ Form: Zum einen befinden sich auf der DVD die Beiträge als recherchierbare Volltexte; zum anderen die in hoher Auflösung digitalisierten Originalseiten dieser Zeitschriften, um die ursprüngliche Typographie und Seitengestaltung dieser Periodika und damit also auch den Ursprungs-Kontext der Einzeltexte zu bewahren. In dieser Weise sollen auch zumindest zwei Tageszeitungen mit ihren Artikeln des Jahrgangs 1913 erfaßt werden. Gedacht ist dabei zum einen an die Vossische Zeitung, zum anderen an die Frankfurter Zeitung – doch stellt die Erfassung so großer Textmengen in Fraktur einen ziemlichen Aufwand dar, der noch nicht angegangen wurde. Bereits vorhanden sind philosophische und wissenschaftliche Schriften mit dem Erscheinungsjahr 1913: Von Walther Rathenaus 1913 erstmals erschienener (und im gelichen Jahr dreimal aufgelegter) Schrift Zur Mechanik des Geistes bis zu Werner Sombarts Abhandlung Der Bourgeois . Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen . (Das für die Digitalisierung genutzte Exemplar des Sombart-Werkes stammt aus der Gerhart-Hauptmann-Bibliothek, die in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz am Potsdamer Platz aufbewahrt wird.) Wie aus Titel und
Inhaltsverzeichnis
gleichfalls zu ersehen, wird die fertige DVD nicht nur Texte enthalten.
In der Rubrik „Bilder“ versammelt sie zum einen
fotographische Zeugnisse des Vorkriegsjahres 1913, das
für die Geschichte des Mediums schon deshalb nicht ohne
Bedeutung
ist, weil in diesem Jahr durch den bei den Optischen Werken Ernst Leitz
in Wetzlar angestellten Ingenieur Oskar Barnack die erste
Kleinbildkamera
der Welt entwickelt wurde. Dieser unter dem Namen
„Leitz-Camera“ bzw. „Leica“
später berühmt gewordene Typ von fotographischem
Aufnahmegerät
markierte eine neue Epoche in der Mediengeschichte, da durch ihn eine
bis
dahin schon rein technisch unmögliche Flexibilität in
der Erzeugung
fotographischer Aufnahmen ermöglicht wurde. Die DVD wird
– wenn alles
gut geht – die ersten mit dieser Kleinbildkamera erstellten
Bilder enthalten;
zugleich natürlich auch zahlreiche andere Fotographien, bei
deren Akkumulierung auf die schon vorhandenen grossen Sammlungen des
York-Projektes zurückgegriffen werden kann. In der Rubrik
„Bilder“ werden daneben Werke der Bildenden
Kunst versammelt, die 1913 entstanden – vom Lichtgebet
des als Fidus
berühmt gewordenen Hugo Höppner bis zu Franz Marcs Turm
der
blauen Pferde .
Schließlich gibt es noch die Rubrik
„Filme“.
Was hier digital bereitgestellt wird, ist mehr als nur
„Füllmaterial“
für die immense Speicherkapazität einer DVD. Denn im
Jahr 1913
entstand nach einem Buch von Hans Heinz Ewers der erste deutsche
Autorenfilm Der Student von
Prag (den Henrik Galeen 1926
gleich noch
einmal verflmte). Von den überaus zahlreichen im Jahr 1913
realisierten
Filme können jedoch nur die Werke aufgenommen werden, die
erhalten
und verfügbar sind: Bislang sind das die Streifen Der
Andere von Max Mack und die von
Max Reinhardt inszenierten, noch ziemlich theaternahen
Filme Eine Venezianische Nacht
und Die Insel der Seligen
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Wichtiger
Hinweis: Die zur Zeit entstehende DVD-Edition lebt von Hinweisen und weiterführenden Informationen. Wer Vorschläge zu Texten, Bildern oder Filmen hat , die eine Aufnahme verdienen, sollte sich bitte melden – ein Exemplar der materialreichen Silberscheiben als Dankeschön wird garantiert. |