Fiktionalitätstheorien.

Konzepte und Modelle zur Beschreibung und Erklärung fiktionaler Welten. Von der Antike bis zur Gegenwart

Wenn in einem Text ein Handlungsreisender eines Morgens aus unruhigen Träumen erwacht und sich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt findet, scheint der Fall klar zu sein: Hier handelt es sich um eine Fiktion und also um eine (literarische) Simulation, die keinen Anspruch auf reale Geltung und empirische Überprüfbarkeit erhebt. Doch auf welchen Regeln beruhen die seltsamen Metamorphosen der Familie Samsa, die der Leser bei seiner weiteren Lektüre erleben kann? Warum investieren wir in der Wahrnehmung fiktionaler Welten emotionale Energien, die so stark sein können, dass wir angesichts der Leiden einer Romangestalt weinen, während uns das reale Elend in der Welt da draußen eher kalt lässt? Und wie kommt es, dass noch in unserer medial zugerüsteten (und mit entsprechenden Distanzierungsformen ausgestatteten) Gegenwart Romane erscheinen, die zu erfolgreichen Unterlassungsklagen und Schadensersatzforderungen an Autoren führen, weil reale Personen sich in fiktiven Figuren abgebildet und diffamiert glauben?


Das Nachdenken über Fiktionen und die mit ihnen verbundenen Probleme begleitet die Kultur- und Literaturgeschichte seit ihren Anfängen. Bereits im sechsten vorchristlichen Jahrhundert vermuten griechische Philosophen, dass die bislang als historische Kunde geltenden homerischen Epen nur bedingt wörtlich aufzufassen sind. Verständnisprobleme und Zweifel an der bisher unhinterfragt geltenden Überlieferung verdichten sich zu Gewissheitsdefiziten, die zu ersten Reflexionen über das vielschichtige Phänomen Fiktionalität führen – bis hin zu Platons Disqualifikationen der Poesie als Werk der Täuschung und dem Ausschluss der Dichter aus dem idealen Staat. Erst die Rehabilitation der Literatur als Eröffnung eines Möglichkeitssinns durch seinen Schüler Aristoteles schafft die Möglichkeit sachlicher Umgangsformen mit fiktionalen Welten. Auch wenn diese nach wie vor zu heiß umstrittenen Feldern des theoretischen Nachdenkens über und des praktischen Handelns mit  Texten gehören.

Die vorliegende Text- und Bildsammlung auf DVD will diesen zentralen und bis heute brisanten Fragen der Literatur und der Literaturtheorie nachgehen, indem unterschiedliche Bestimmungen von Fiktionalität dokumentiert und in ihren Voraussetzungen wie Konsequenzen kontextualisiert werden. Das Spektrum reicht von den Überlegungen des Sophisten Gorgias im 4. Jahrhundert v. Chr. bis zu neuesten theoretischen Überlegungen zum Univialitätsprinzip und den Modalitäten von „possible worlds“.

Die hier versammelten Texte sind intellektuell anspruchsvoll. Ihre Lektüre aber lohnt sich auf jeden Fall: Denn nun werden die Baupläne fiktionaler Welten sichtbar – und produktiv erweiterte Umgangsformen mit den Möglichkeitsräumen der Literatur möglich.
DVD Fiktionalitätstheorien

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