Medien, Informationsgesellschaft & Datenschutz
Elektronischer Geschäftsverkehr
Kommissar Bolkestein begrüßt politische Einigung über
Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr
Am 7. Dezember einigte sich der Ministerrat über einen gemeinsamen
Standpunkt zu einer geplanten Richtlinie zum elektronischen
Geschäftsverkehr. Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein begrüßt dieses
Ergebnis. Mit der Richtlinie wird erreicht, daß für Dienste der
Informationsgesellschaft die Binnenmarktgrundsätze der Dienstleistungs-
und Niederlassungsfreiheit gelten und daß solche Dienste in der gesamten
Europäischen Union (EU) angeboten werden können, sofern sie den im Land
des Anbieters geltenden Rechtsvorschriften entsprechen. Besondere
einheitliche Regeln sieht sie nur insoweit vor, als sie nötig sind, um
sicherzustellen, daß Unternehmen und Bürger Dienste der
Informationsgesellschaft EU-weit und über Grenzen hinweg anbieten und in
Anspruch nehmen können. Diese Regeln betreffen die Definition des
Niederlassungsortes von Diensteanbietern, die Transparenz kommerzieller
Kommunikation, den Abschluß und die Gültigkeit elektronischer Verträge,
die Haftung von Vermittlern, die Online-Beilegung von Streitigkeiten und
die Aufgaben der nationalen Behörden. Ansonsten gründet die geplante
Richtlinie auf vorhandene EU-Rechtsinstrumente, die eine Harmonisierung
oder die gegenseitige Anerkennung nationaler Rechtsvorschriften
vorsehen.
Ich bin erfreut, daß Parlament und Rat nach nur einem Jahr zu einer vorläufigen Einigung
über diesen Richtlinienvorschlag gelangt sind". Dieser rasche Fortschritt zeigt,
daß es als dringlich erkannt wird, einen auf den Binnenmarktgrundsätzen beruhenden
klaren Rechtsrahmen zu schaffen, in dem der elektronische Geschäftsverkehr in Europa
sein enormes Wachstums-, Investitions- und
Beschäftigungspotential entfalten kann. Das Binnenmarktrecht ist ein idealer Rahmen
zur Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und zur gegenseitigen Anerkennung
nationaler Regeln und Aufsichtsinstanzen. Zugleich verleiht der elektronische Geschäftsverkehr dem Binnenmarkt eine vollkommen neue Dimension, denn er ermöglicht Unternehmen
jeder Größe, wo immer sie niedergelassen sind, und Verbrauchern problemlos den Gang
über die Grenze. Die meisten neuen Arbeitsplätze werden von kleinen Unternehmen des Dienstleistungssektors geschaffen, und eben diese Unternehmen haben vom elektronischen
Geschäftsverkehr den größten Nutzen.
"Der elektronische Geschäftsverkehr wächst äußerst stark, im Jahr 2003 könnte sein
Volumen weltweit 1,4 Billionen US-Dollar erreichen (Quelle: Forrester Research).
In Europa verzeichnet er bereits einen jährlichen Umsatz von 17 Milliarden Euro,
mit einer Steigerung auf 340 Milliarden Euro bis zum Jahr 2003 wird gerechnet. Der Richtlinienvorschlag
wurde im November 1998 vorgelegt und im August 1999 unter Berücksichtigung der Stellungnahme
des Europäischen Parlaments vom Mai 1999 geändert. Er erfaßt alle Dienste der Informationsgesellschaft: Dienste von Unternehmen für Unternehmen, von Unternehmen
für Verbraucher, kostenlose Dienste, die z. B. durch Anzeigen oder Sponsoren finanziert
werden, und Dienste, die Online-Transaktionen ermöglichen wie den interaktiven Online-Kauf von Waren und Dienstleistungen. Zu den von der Richtlinie betroffenen
Sektoren und Tätigkeiten gehören u. a. Online-Zeitungen, Online-Datenbanken, Online-Finanzdienste,
Online-Dienstleistungen der freien Berufe (Rechtsanwälte, Ärzte, Wirtschaftsprüfer, Immobilienmakler usw.), Online-Unterhaltungsdienste wie Video auf Abruf,
Online-Direktvertrieb, Online-Werbung und Internet-Zugangsdienste.
Die Richtlinie soll nur für Diensteanbieter gelten, die in der EU niedergelassen sind,
nicht für Anbieter aus Drittländern. Bei ihrer Abfassung wurde jedoch besonders darauf
geachtet, daß es nicht zu Kollisionen mit der Rechtsentwicklung in anderen Teilen
der Welt kommt, die den weltweiten elektronischen Geschäftsverkehr behindern würden.
In einigen Bereichen sieht die Richtlinie sogar Regelungen vor, die international
als Vorbild dienen können. Das stärkt den Einfluß Europas auf die Entwicklung eines
internationalen Rechtsrahmens..
Die geplante Richtlinie definiert den Ort der Niederlassung eines Diensteanbieters
als den Ort, an dem er mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit eine
Wirtschaftstätigkeit tatsächlich ausübt, unabhängig davon, wo Websites, Server und
Mailbox installiert sind. Diese Definition steht im Einklang mit den im EG-Vertrag verankerten
Grundsätzen und mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Sie beseitigt
die gegenwärtige Rechtsunsicherheit und bewirkt, daß Anbieter sich nicht der Beaufsichtigung entziehen können, denn sie unterstehen den Aufsichtsinstanzen des Mitgliedstaates,
in dem sie niedergelassen sind. Die Richtlinie verbietet den Mitgliedstaaten, Dienste
der Informationsgesellschaft besonderen Zulassungsvorschriften zu unterwerfen, die nicht auch für nicht über elektronische Medien angebotene Dienste gleicher Art
gelten. Die Mitgliedstaaten müssen Diensteanbieter verpflichten, für ihre Nutzer
und die zuständigen Behörden Informationen über sich und ihre Tätigkeit ständig,
unmittelbar und leicht zugänglich zur Verfügung zu halten (Name, Postanschrift, E-mail-Adresse,
Handelsregisternummer, Zulassung für eine Tätigkeit, Mitgliedschaft in Berufsverbänden
und Kammern, Umsatzsteuernummer).
Die Mitgliedstaaten, so sieht es der Richtlinienvorschlag vor, werden verpflichtet,
alle Verbote und
Beschränkungen der Verwendung elektronischer Verträge aufzuheben. Zudem schafft die
Richtlinie Rechtssicherheit, indem sie vorschreibt, daß beim Abschluß elektronischer
Verträge bestimmte Informationen erteilt werden müssen. Damit sollen vor allem Verbraucher vor technischen Fehlern
bewahrt werden. Diese Bestimmungen ergänzen die kürzlich verabschiedete
Richtlinie über elektronische Signaturen.
Um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und einer uneinheitlichen Praxis der Mitgliedstaaten
vorzubeugen, ist in der Richtlinie vorgesehen, daß Vermittler nicht für die Informationen
verantwortlich sind, wenn sie eine rein passive Rolle spielen, die in der bloßen Weiterleitung von Informationen Dritter besteht. Sie begrenzt die Verantwortlichkeit
für andere Vermittlertätigkeiten wie die Informationsspeicherung. Dabei wird sorgfältig
zwischen den unterschiedlichen Interessen abgewogen, damit die Zusammenarbeit aller Beteiligten gefördert und die Gefahr illegaler Online-Tätigkeit vermindert
wird.
In der Richtlinie wird definiert, worin kommerzielle Kommunikation (wie Werbung und
Direktmarketing) besteht, und es werden für sie Informationspflichten festgelegt,
um dem Verbraucher Sicherheit zu geben und unlauteren Geschäftspraktiken entgegenzuwirken. Damit Verbraucher sich ohne weiteres gegen Belästigungen wehren können, muß per E-mail
übermittelte kommerzielle Kommunikation als solche erkennbar sein. Für reglementierte
Berufe wie Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer gilt der allgemeine Grundsatz, daß sie Dienstleistungen auch online erbringen dürfen und daß sie auch dann Websites
betreiben dürfen, wenn ihr nationales Recht ihnen Werbung verbietet. Sie müssen sich
dabei aber an berufsethische Regeln halten, die von den Berufsverbänden und Standesorganisationen in Verhaltenskodizes niedergelegt werden sollen.
Mit der geplanten Richtlinie sollen die Mechanismen zur Durchsetzung des EU-Rechts
und des nationalen Rechts gestärkt werden. Dazu gehören die Ausarbeitung von Verhaltenskodizes
auf EU-Ebene, die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und die Einrichtung wirksamer Online-Systeme zur außergerichtlichen Beilegung
von Streitigkeiten. Die Mitgliedstaaten werden auch verpflichtet, dem Online-Medium
angemessene Möglichkeiten des gerichtlichen Vorgehens zu schaffen und für Verstöße
gegen die Bestimmungen der Richtlinie Sanktionen vorzusehen, die wirksam, verhältnismäßig
und abschreckend sind.
In der Richtlinie wird klargestellt, daß die Binnenmarktgrundsätze der gegenseitigen
Anerkennung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Kontrolle im Herkunftsland
auch für Dienste der Informationsgesellschaft gelten. Dienste, die von einem anderen Mitgliedstaat aus angeboten
werden, dürfen nicht aus Gründen beschränkt werden, die in den Rahmen dieser Richtlinie
fallen. Die geplante Richtlinie berührt nicht das Brüsseler Übereinkommen über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen, das Übereinkommen von Rom über das auf Schuldverhältnisse in
Verbraucherverträgen anzuwendende Recht oder die Freiheit der Vertragsparteien festzulegen,
welchem Recht ihr Vertrag unterliegen soll.Die Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten in Einzelfällen die Beschränkung von Diensten der Informationsgesellschaft, die
von einem anderen Mitgliedstaat aus angeboten werden, wenn das im öffentlichen Interesse
notwendig ist: zum Schutz der Jugend, zum Kampf gegen den Haß aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, zur Wahrung der Menschenwürde
einzelner Personen, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit und zum
Schutz von Verbrauchern und Anlegern. Solche Beschränkungen müssen aber verhältnismäßig
sein, und ein Mitgliedstaat kann sie (außer in dringenden Fällen) nur erlassen, wenn
er zuvorden Mitgliedstaat, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist, aufgefordert
hat, geeignete Maßnahmen zu treffen, und dieser der Aufforderung nicht nachgekommen
ist;der Kommission und dem Mitgliedstaat, in dem der Diensteanbieter niedergelassen
ist, seine Absicht mitgeteilt hat, Beschränkungen zu erlassen.In dringenden Fällen,
etwa bei gerichtlichen Eilverfahren und strafrechtlichen Ermittlungen, müssen die
Gründe für die Beschränkungen und die Dringlichkeit schnellstmöglich der Kommission und
dem Mitgliedstaat, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist, mitgeteilt werden.
Hält die Kommission beabsichtigte oder bereits erlassene Beschränkungen für nicht
gerechtfertigt, muß der Mitgliedstaat auf sie verzichten oder sie unverzüglich aufheben.Wenn
der Standpunkt der Kommission in einer künftigen Tagung des Rates ohne Debatte förmlich
angenommen worden ist, wird er nach dem in Artikel 251 EG-Vertrag vorgesehenen Mitentscheidungsverfahren dem Europäischen Parlament zur zweiten Lesung zugeleitet.
© 2000, Francopolis. Tous droits réservés.