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Rede des Bundeskanzlers in Rüsselsheim

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hielt anläßlich der Eröffnung der neuen Unternehmenszentrale der Adam Opel AG am 11. März 1998 in Rüsselsheim folgende Rede:

I.
Lieber Herr Herman,
Herr Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Adam Opel AG,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

zur feierlichen Einweihung der neuen Unternehmenszentrale übermittle ich Ihnen die herzlichen Glückwünsche der Bundesregierung. Dies ist ein guter Tag für die Adam Opel AG, für die Stadt und die Region Rüsselsheim sowie für Deutschland.

Zu den gutenTraditionen in der Bundesrepublik Deutschland gehört es, daß man nicht nur gegen, sondern ebenso für etwas demonstrieren kann. Deshalb bin ich heute gerne zu Ihnen nach Rüsselsheim gekommen. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen für die deutsch-amerikanischen Beziehungen demonstrieren, denn ohne die Hilfe und Unterstützung unserer amerikanischen Freunde und partner in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wäre der erfolgreiche Neubeginn in unserem Land nicht so rasch möglich gewesen. Ich möchte mit meiner Teilnahme zudem für den Standort Deutschland und für das Auto demonstrieren.

In der neuen Unternehmenszentrale der Adam Opel AG finden sich 1 200 Mitarbeiter unter einem Dach zusammen. Moderne Arbeitsplätze und kürzere Wege verbessern den Informationsaustausch und die Kommunikation. Das Adam Opel Haus steigert die Arbeitsfreude des einzelnen und zugleich die Leistungsfähigkeit der Unternehmenszentrale. Die Adam Opel AG unterstreicht damit ihr klares Bekenntnis zu ihrem Heimatstandort Rüsselsheim. Der über hundertjährige Aufstieg vom Nähmaschinenhersteller zum Automobilunternehmen mit Weltruf war ein weiter Weg. Er ist, Frau Oberbürgermeisterin, untrennbar mit dem Namen Rüsselsheim verbunden.

Die Entscheidung für die neue Unternehmenszentrale ist zugleich eine Entscheidung für den Standort Deutschland. Sie ist ein sichtbares Zeichen, daß die deutsche Opel AG und ihre Standorte einen festen Platz im weltweiten Unternehmenskonzept des amerikanischen Mutterkonzerns General Motors haben. Die Glückwünsche, die General Motors heute der deutschen Adam Opel AG überbracht hat, waren auch mehr als eine freundliche Geste. Darin ist zugleich Anerkennung für das deutlich geworden, was in den vergangenen Jahrzehnten bis heute von den Menschen hier geleistet worden ist.

Kurzum: Das Adam Opel Haus ist ein Signal für eine gute Zukunft. Es unterstreicht, daß deutsches Know-how und deutsche Wertarbeit ein unvermindert hohes Ansehen in der Welt genießen. Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, Herr Herman, Ihre Investitionspläne hier in Rüsselsheim ebenso wie an anderen deutschen Opel-Standorten konsequent umzusetzen. Stellen Sie auch bei Ihren Kollegen in den Vereinigten Staaten immer wieder heraus, daß jeder Dollar, der hier in Deutschland investiert wird, zugleich eine Abschlagszahlung auf eine gute Zukunft des ganzen Konzerns ist. Meine Damen und Herren, es geht dabei immer um Investitionen in die Zukunft und um den Erhalt und das Schaffen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze.

Wir begehen diese festliche Stunde in einem Augenblick, in dem sich die Welt, Europa und unser eigenes Land in einem dramatischen Veränderungsprozeß befinden. In zwei Jahren beginnt ein neues Jahrhundert, das zugleich ein neues Jahrtausend ist. Bei manchen weckt dies auch Ängste, gerade mit Blick auf die Frage, was das neue Jahrhundert bringen wird.

Klar ist: Wir haben alle Chancen für eine gute Zukunft. Jetzt kommt es darauf an, daß wir die Weichen richtig stellen und die notwendigen Entscheidungen entschlossen treffen. Dazu gehört, daß wir gemeinsam und wenn möglich ohne die gelegentlich anzutreffende Polarisierung darüber sprechen, was sich bewährt hat und was wir erhalten wollen, ebenso wie darüber, was wir für die Zukunft verändern müssen.

Zukunftssicherung heißt für uns Deutsche immer auch, unsere Anstrengungen darauf zu richten, wirtschaftlich an der Weltspitze zu bleiben. Wir sind nach den USA Exportland Nummer zwei in der Welt. Um unsere Spitzenposition zu erhalten und auszubauen, müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes immer wieder neu auf den prüfstand stellen und wo nötig Anpassungen vornehmen.

Wir müssen vor allem auch offen für technischen Fortschritt sein. Dies hat nichts mit blindem Fortschrittsglauben zu tun. Gerade wir Deutschen haben in diesem Jahrhundert die Erfahrung gemacht, daß nicht alles, was technisch-wissenschaftlich machbar ist, auch moralisch erlaubt ist. Wir haben aber ebenso gelernt, daß wir für eine gute Zukunft den Mut für neue Entwicklungen brauchen ich nenne nur das Stichwort Transrapid und die neuen Herausforderungen, die mit dem Auto verbunden sind.

Ich bekenne mich nachdrücklich zum Auto und den damit verbundenen positiven Werten. Das Auto ist ein Stück gelebte Freiheit. Es ist zugleich ein Stück Lebensqualität. Dies gilt insbesondere für Millionen Menschen, die nicht in Ballungsräumen leben. Es gilt zudem vor dem Hintergrund, daß die sogenannte Fläche zunehmend Gefahr läuft, gegenüber den Ballungsräumen ins Abseits zu geraten. Natürlich muß man auch die Schattenseiten des Autos sehen: Lärmbelästigungen, die Luftbelastung mit Schadstoffen und einiges andere mehr. Klar ist: Wir haben nicht das Recht, in unserer Generation zu Lasten kommender Generationen zu leben.

Keine Lösung ist es aber, die Abkehr vom Auto zu propagieren oder das Auto zu dämonisieren. Wer dies tut, fährt in die Sackgasse. Dazu gehört auch die in diesen Tagen in die aktuelle Diskussion eingebrachte Forderung, den Benzinpreis auf ein Niveau zu heben, das für breite Schichten der Bevölkerung nicht mehr tragbar ist. Unser Ziel muß es sein, Auto und Verkehr bei steigenden Mobilitätsbedürfnissen umweltverträglich zu gestalten.

Es gehört zu den guten Entwicklungen der letzten Jahre, daß das Thema Umweltverträglichkeit in weiten Bereichen der deutschen Automobilindustrie längst fester Bestandteil der Unternehmenspolitik geworden ist. Dies trägt dazu bei, das Thema Auto mit dem Faktor Umwelt in ein vernünftiges und positives Verhältnis zu bringen. Dafür stehen auch die vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Adam Opel AG.

Außerdem stärkt die Automobilindustrie unser Land wesentlich als Forschungs- und Entwicklungsstandort. Sie ist Motor für Innovationen und zukunftssichere Arbeitsplätze. Dies wird auch daran deutlich, daß wir nach grundlegenden, zum Teil schmerzhaften Anpassungen in den vergangenen Jahren heute feststellen können, daß dieser klassische deutsche Industriebereich im internationalen Wettbewerb wieder die Nase vorn hat. Erfreulich ist dabei vor allem, daß das Produktionswachstum wieder mit einem Beschäftigungszuwachs verbunden ist. Dies unterstreicht einmal mehr, daß die Anstrengungen der Automobilindustrie Signalfunktion für ganz Deutschland haben.

Für eine gute Zukunft unseres Landes gibt es keine Alternative. Wir müssen notwendige Reformen angehen, auch wenn sie nicht immer populär sind und ihre Notwendigkeit von manchen nicht unmittelbar erkannt und akzeptiert wird. Mut ist das Stichwort, das uns in dieser Zeit prägen muß.


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