Adenau.htm
Zum 30. Todestag von Konrad Adenauer
Rede des Bundeskanzlers ln Bad Honnef
Bundeskanzler Dr.Helmut Kohl hielt bei der Gedenkfeier anläßlich des 30. Todestages
des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, am 19.
April 1997 in Bad Honnef folgende Rede:
Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin,
liebe Frau Dr. Wilms, Herr Ministerpräsident, Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren Abgeordneten,
Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren
und vor allem: liebe Famille Adenauer!
Dies ist die Stunde Konrad Adenauers! Hier, in seiner Heimatstadt, gedenken wir heute
des dreißigsten Todestages des Gründervaters und ersten Bundeskanzlers unserer Republik.
Viele hier in diesem Saal haben ihn noch gekannt; einige standen ihm sehr nahe. Vor
allem die Familienangehörigen bewegen in dleser Stunde sehr persönliche Erinnerungen
die auch in diese Gedenkfeier gehören. Seine Familie hat ihn ja nicht nur auf seinem
Weg begleitet, sie hat die Bürde des Amtes mit ihm getragen, manchmal sicherlich auch
ertragen ich kann das aus persönlicher Erfahrung sagen. Deswegen gilt mein besonderer
Gruß Ihnen, liebe Familie Adenauer.
Unter uns sind viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die ihm begegnet sind, wenn
er morgens ins Büro fuhr oder sonntags in die Kirche ging, die erlebt haben, wie
er sich mit den Menschen unterhielt, auch mit dem einen oder anderen stritt das
gehört dazu. Hier an diesem Ort hat er Heimat gefunden. Ich sehe weiter hier im Saal enge Wegbegleiter
Konrad Adenauers, die an seiner Seite Politik gestalteten und ich denke in diesem
Augenblick auch an jene, die heute nicht mehr unter uns sind und ohne
deren Rat und tatkräftiges Mitwirken er seinen Weg so nicht hätte gehen können.
Wer sich am heutigen Tag die Reden und Gespräche anhört, wer die Gelegenheit hatte
so wie ich , einen ersten Blick auf die neugestaltete Ausstellung zu werfen, der
gewinnt den Eindruck, als sei Konrad Adenauer erst gestern von uns gegangen : Sein
Bild steht lebendig vor uns. Und doch: Dreißig Jahre sind eine lange Zeit. Sie können das
Werk eines Staatsmannes glanzvoll bestätigen. Sie können aber auch ausreichen, um
es weitgehend zu zerstören.
Dreißig Jahre nach dem Tod Otto von Bismarcks, im Jahr 1928, existierte das Kaiserreich
nicht mehr, das er mit großer Kraft und Entschiedenheit geschmiedet hatte. Das kunstvolle
außenpolitische Geflecht, mit dem er dem Deutschen Relch in seiner prekären Mittellage den Frieden sichern wollte, war längst zerrissen nicht zuletzt durch dle
Kurzsichtigkeit und die geistige Enge einer anderen Generation. Deutschland hatte
den Ersten Weltkrieg verloren und näherte sich dem Abgrund einer totalitären Diktatur,
die den Zweiten Weltkrieg entfesseln sollte.
Welch ein Unterschied, wenn wir heute an das Leben und Wirken Konrad Adenauers erinnern!
Man kann es so sagen: Dreißig Jahre nach seinem Tod ist er auf eine beispiellose
Weise gegenwärtig. Was er schuf natürlich nicht allein, sondern gemeinsam mit vielen Männern und Frauen dieser großartigen Gründergeneration , hat Bestand. Es hat in
jener Zeit die Gegenwart geprägt, und es hat uns allen Zukunft geschenkt.
Die Demokratie, in der wir Deutschen heute in gemeinsamer Freiheit zusammenleben,
ruht auf einem Fundament, das Konrad Adenauer mitgeschaffen, ja, maßgeblich geformt
hat. Das Grundgesetz, unter seinem Vorsitz im Parlamentarischen Rat formuliert, hat
sich über Jahrzehnte hinweg hervorragend bewährt; es hat sich allen neuen Entwicklungen
gewachsen gezeigt und trägt heute mit wenigen Änderungen zuverlässig das vereinte
Deutschland. Es ist im übrigen lohnend, heute einmal die Vorhersagen manch kluger
Zeitgenossen aus den Jahren 1948/49 über die Zukunft des Grundgesetzes nachzulesen : Fast
alle haben sich getäuscht. Das ist für uns heute im Blick auf manche Prognosen Anlaß
zur Hoffnung.
Schließlich das Haus Europa, an dem wir arbeiten: Es entsteht nach dem Bauplan, den
Konrad Adenauer gemeinsam mit seinen europäischen Partnern gezeichnet hat; gemeinsam
mit ihnen schufer auch Grundmauern und tragendeSäulen.
Konrad Adenauer war zeit seines Lebens ein eher skeptischer Mann. Auch kurz vor seinem
Tod trieben ihn Ängste und Sorgen um, wie es mit Deutschland weitergehen würde. Dabei
war gerade er es, der der Bundesrepublik Deutschland zu ihrer bewunderten Stabilität verhalf. Viele großartige Männer und Frauen wirkten mit, unser Gemeinwesen auszugestalten;
aber Adenauer war es, der ganz wesentlich die Maßstäbe setzte und die Richtung wies.
Er befestigte das junge Staatswesen nach
innen und außen.
Diese Stabilität der deutschen Demokratie begründet und gesichert zu haben ist ohne
Zweifel eine der größten staatspolitischen Leistungen Konrad Adenauers. Sie ist wohl
nirgendwo eindrucksvoller gewürdigt worden als in dem Brief, den Carl Jacob Burckhardt
wenige Tage nach Adenauers Tod an Carl Zuckmayer schrieb. Darin heißt es über den
ersten Bundeskanzler: "Die Grundgefahr demokratischer Staatsform, entwe
der in Anarchie zu versinken oder zur Diktatur zu führen, hat er dadurch überwunden,
daß er die Staatsautorität an ihren richtigen Platz stellte und sie durch seine mächtige
Persönlichkeit, von Erfolg zu Erfolg, rechtfertigte. In einem Chaos unfruchtbarer
theoretischer Erörterungen hat er, dem nachgerade seltensten, dem gesunden Menschenverstand
zum Sieg verholfen. Daß sein Denken, sein Instinkt, sein Handeln sich zu vollster
Einheit zusammenfanden, hat das schon seit so langer Zeit verschwundene Vertrauen
der Welt Deutschland gegenüber wiederhergestellt, und zwar in erstaunlich kurzer Zeit."
Ich glaube, man kann es nicht besser formulieren als Carl Jacob Burckhardt.
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