Verhandlungen des Europäischen Parlaments
SITZUNG AM DIENSTAG, DEN 5. OKTOBER 1999
Internationale Aids-Konferenz in Lusaka
Junker (PSE).
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man kann das Problem in der Tat nicht ernst genug nehmen. Aids droht zu einer
Gesundheitskatastrophe ungeahnten Ausmaßes zu werden, insbesondere in den Ländern
Afrikas
südlich der Sahara. Vor allem Kinder sind betroffen. Nach Einschätzung von UNAIDS
und der Weltgesundheitsorganisation leben in dieser Region sieben von zehn neu mit
dem HIV-Virus Infizierten; bei Kindern unter 15 Jahren sind es sogar neun von zehn.
Rund 83 % der Aids-Todesfälle sind hier zu beklagen, mindestens 95 % aller Aidswaisen sind
afrikanische Jungen und Mädchen in dieser Region. Von 34 Millionen infizierten Personen
seit Auftreten der Seuche in diesem Teil Afrikas sind bereits 11,5 Millionen verstorben, davon ein Viertel Kinder.
Damit werden alle zwischenzeitlichen Erfolge wachsender Lebenserwartung zunichte gemacht
es ist darauf hingewiesen worden. In manchen Ländern ist die Lebenserwartung sogar
wieder auf das Niveau der 60er Jahre gefallen. Anders ausgedrückt: Ein Kind, das
heute in einem von Aids stark betroffenen afrikanischen Land geboren wird, hat eine
durchschnittliche Lebenserwartung von nur 43 Jahren ohne Aids könnten es 60 Jahre
sein.
Besonders dramatisch ist die Situation in Ostafrika und im südlichen Afrika. In Botswana,
Namibia, Swasiland und Simbabwe ist ein Fünftel der Erwachsenen infiziert oder an
Aids erkrankt. Diese Schreckensbilanz ließe sich noch endlos fortsetzen. Aids ist
jedoch kein unabwendbares Schicksal. Einige Länder wie der Senegal, Tansania oder Uganda
haben frühzeitig mit Erfolg auf Prävention gesetzt. Es ist allerhöchste Zeit, in
ganz Subsahara-Afrika und auch in anderen betroffenen Teilen der Welt die gesundheitspolitische Notbremse zu ziehen. Dabei bedarf es keiner gesellschaftlichen, politischen
oder religiösen Tabus. Die müssen vom Tisch, und zwar egal wo und durch wen.
Tabuisierung und Bagatellisierung führen direkt in die Katastrophe. Die Gründung der
Partnerschaft AIDS gegen Aids in Afrika auf der Konferenz von Lusaka verdient die
entschiedene ideelle und auch materielle Unterstützung durch die Europäische Union.
Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, den internationalen Hilfsorganisationen,
Nichtregierungsorganisationen
unterschiedlicher Art und die Zivilgesellschaft, auch der private Sektor, haben sich
zusammengetan, um der Seuche den Kampf anzusagen. Sie haben sich vorgenommen, in
allen afrikanischen Staaten umfassende Aids-, besser gesagt, Anti-Aids-Programme
auf den Weg zu bringen. Eines der
ehrgeizigen Ziele ist, die Rate der Neuinfizierten unter jungen Menschen zwischen
15 und 24 Jahren bis zum Jahr 2005 um 25 % in den am meisten betroffenen Ländern
und bis zum Jahr 2010 in allen Ländern zu erreichen. Das kann und muß von der Europäischen
Union flankiert und vor allem
durch die AKP-Zusammenarbeit mit Vehemenz unterstützt werden.
Auch bisher war ja die Europäische Union nicht untätig. Zwischen 1987 und 1997 wurden
knapp 200 Millionen ECU bzw. Euro für HIV/Aids-Programme in über 90 Entwicklungsländern
aufgewendet. Das soll ausdrücklich anerkannt werden. Dazu kommen noch 45 Millionen Euro im Rahmen einer speziellen Haushaltslinie für Entwicklungsländer in den Weltregionen
für die nächsten drei Jahre sowie 20 Millionen Euro für ein regionales Fünfjahres-Programm
für die AKP-Länder und zusätzliche Mittel im Rahmen von Indikativprogrammen unter anderem für die AKP-Länder, nicht
eingerechnet zum Beispiel die Kofinanzierung von Nichtregierungsorganisationen oder
ein Forschungsprogramm.
Mehr als etwa in Europa sind in Afrika vor allem junge Mädchen gefährdet. Nirgendwo
gibt es mehr Mütter im Teenageralter, nirgendwo bekommen sie mehr infizierte Babys.
Deshalb muß vor allem bei der Aufklärung von Jugendlichen angesetzt werden. Das ist
eine Aufgabe, die in Schulen geleistet werden muß. Die Bildungskampagnen und die
Kondomwerbung in
Tansania und Uganda haben gezeigt, daß es erfolgreich geht. Eingesetzt werden muß
vor allen Dingen das Radio als ein Informationsmittel, das in alle Winkel reicht.
Auch hier sind konkrete Unterstützungsmaßnahmen absolut erforderlich. Die gemeinsamen
Anstrengungen im Geist von
Partnerschaft sind der richtige Weg. Aber um wirksam zu werden, bedarf es nicht weniger,
sondern mehr Mittel; und hier bin ich besorgt über die Finanzpolitik der Kommission,
aber auch dieses Hauses. Frau Maij-Weggen, ich hoffe, daß ihre Fraktion mit dazu
beiträgt, daß die Beschlüsse des
Haushaltsausschusses, von denen ich gehört habe, rückgängig gemacht werden bzw. im
Plenum geändert werden, indem das zurückgenommen wird, was an Kürzungen gegenüber
den Vorschlägen des Entwicklungsausschusses auf dem Tisch liegt. Wir müssen gemeinsam
dafür sorgen, daß wir das, was wir wollen, auch finanzieren können.
© 2000, Francopolis. Tous droits réservés.