Kind in der Warteschleife
Der Bonner Frauenarzt Hans van der Ven über Lagerfristen für Eizellen, Mediziner als
Karrierehelfer und das neue Problem "alte Mutter".
Neun Jahre lang hatte eine befruchtete Eizelle in einem Gefrierschrank der Uni Bonn
gelagert. Dann erst wurde sie von Hans van der Ven, 45, der Mutter eingepflanzt.
Weltweit zum ersten Mal kam nun nach derartig langer Eizellen-Lagerzeit ein gesundes
Baby, Paul, zur Welt.
Journalist:
Professor van der Ven, wie alt war Baby Paul eigentlich am Tag seiner Geburt: neun
oder null Jahre?
Van der Ven:
Genauso alt wie andere Babys auch, denn das Lebensalter wird von der Geburt an gerechnet.
Das deutsche Gesetz verbietet das Einfrieren von Embryonen. Deshalb haben wir Baby
Paul als Eizelle, in die zwar schon ein Spermium eingedrungen war, aber in der die
Kernverschmelzung noch nicht stattgefunden hatte. Erst nach der Verschmelzung gilt
eine befruchtete Eizelle bei uns als individuum. Pauls Mutter ist 39 und dieses Verfahren
könnte im Prinzip auch bei 50- oder gar 60-jährigen Frauen gelingen, aber ich hielte das nicht für wünschenswert. Speziell bei dieser Patientin war es gar nicht vorgesehen,
die Eizellen so lange aufzuheben. Aber dann gab es persönliche und medizinische Probleme,
die es dem Paar unmöglich machten, die Eizellen früher zurückzusetzen.
In Italien oder den USA gab es bereits Schwangerschaften von 60-Jährigen weil sie
sich dort Spendereizellen einpflanzen lassen dürfen. In Deutschland war das Problem
"alte Mutter" bisher kein Thema. Die legale Möglichkeit, Eizellen, wie in diesem
Fall, noch nach vielen Jahren zurückzusetzen, schafft da theoretisch eine neue Situation. Praktisch
haben wir uns auch gefragt: Was hätten wir getan, wenn Pauls Mutter noch später zu
uns gekommen wäre? Spätestens mit Pauls Geburt hat sich, was die Altersgrenze nach oben angeht, eine Gesetzeslücke aufgetan. Ich fände es sinnvoll, sie beim Alter von
45 Jahren zu schließen, weil schwangerschaftsbedingte Komplikationen wie erhöhter
Blutdruck oder Thrombosenbildung mit zunehmenden Alter häufiger auftreten.
Paul ist zwar gesund, aber das beweist noch nicht, dass befruchtete Eizellen unbegrenzt
lagerfähig sinc. In Deutschland gibt es keine Aufbewahrungsfristen für eingefrorene
Eizellen, aber normalerweise lagern wir sie selten länger als ein, zwei Jahre. Die
Kinder, die dann geboren werden, haben kein größeres Risiko für Fehlbildungen als ganz
normal gezeugte Kinder. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es mit aufgetauten Eizellen
überhaupt zu einer Schwangerschaft kommt, ist sehr gering: 1999 zum Beispiel entstanden bundesweit aus 2755 eingesetzten Eizellen 367 Schwangerschaften. Danach gehen
viele noch durch eine Fehlgeburtenrate von 25 bis 30 Prozent verloren -- eine Art
Selektionsmechanismus der Natur.
Der Glaube an die beliebige Planbarkeit der Schwangerschaft ist bei vielen Paaren
heute schon stark ausgeprägt. Wir sehen in unserer Praxis täglich Patientinnen, die
sich erst um die Karriere gekümmert haben und hinterher das Gefühl haben, die Jahre
liefen ihnen davon. Natürlich ist das Kind in der Warteschleife noch eine sonderbare Vorstellung.
Aber ich halte es für denkbar, dass es so kommen könnte. Eizellen haben in jungen
Jahren einfach ein besseres Potential als in höhrem Alter.
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