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Kontroversen in der Literaturtheorie
Literaturtheorie in der Kontroverse

Bd. 17 der Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik

Die theoretische Modellierung des Umgangs mit literarischen Texten bildet eine zentrale Herausforderung der Philologien – und den Auslöser verschiedener, mitunter heftig ausgetragener Kontroversen. Fragen nach der spezifischen Qualität literarischer Texte, nach der Geltung von Bedeutungszuweisungen oder nach Kriterien fürüberzeugende Interpretationen führten ebenso zu Auseinandersetzungen wie die Konzeptualisierungen historischer Verlaufsformen und ihre Verknüpfung mit inner- und außerliterarischen Kontexten. Diskussionen entzündeten sich aber auch an der editionsphilologischen Sicherung der Überlieferung, am Begriff des Autors als einer mehrfach dimensionierten Instanz in Text und Literatursystem sowie am Status der Literaturwissenschaft und der von ihr erzeugten Wissensansprüche. Eine historische Rekonstruktion dieser Debatten ist im deutschen Sprachraum ein Desiderat.

Literaturtheorie in der Kontroverse

An dieser Stelle setzt das Projekt Literaturtheorie in der Kontroverse ein. Als Veranstaltungsreihe im Rahmen des wissenschaftstheoretisch -methodologischen Oberseminars am Institut für deutsche Literatur im Sommersemester 2006 geplant und realisiert, wurden Beiträger aus den Berliner Universitäten sowie auswärtige Kapazitäten gewonnen, die zentrale literaturtheoretische Debatten rekonstruieren, um die Voraussetzungen und Verlaufsformen von Konsens und Dissens in der Literaturforschung analysieren und die aktuelle literaturtheoretische Diskussion mit historischen Grundlagen versehen zu können.

Literaturtheorie in der Kontroverse versteht sich nicht als Konkurrenzunternehmen der gegenwärtig intensivierten Reflexionen zur systematischen Fundierung der textinterpretierenden Disziplinen, sondern vielmehr als deren komplementäre Ergänzung und Bereicherung. In der Konzentration auf Kontroversen – die sich dadurch auszeichnen, daß sich Beiträge nicht nur innerhalb eines geteilten thematischen Spektrums bewegen, sondern auf die Argumentation eines anderen Textes explizit eingehen – werden zum einen Muster und Verlaufsformen der Genese, Diskussion und Durchsetzung von Wissensansprüchen sichtbar. Die materialgesättigte Nachzeichung von Debatten ermöglicht zugleich eine Reflexion der Prämissen, die unterschiedlichen Argumentationen zugrundeliegen – und damit den Gewinn von Anschlußpotentialen für aktuelle Fragestellungen.

Um diese Ziele zu erreichen, sollen die argumentationstheoretisch wie historisch informierten Beiträge:
(a) die epistemischen und institutionellen Konstellationen von Kontroversen rekonstruieren;
(b) Konfliktparteien und ihre Positionen nachzeichnen;
(c) Verfahren zur Artikulation und die argumentative Struktur von Konsens und Dissens beschreiben;
(d) den „Ausgang“ der Debatte erläutern und ihre Bedeutung für die Entwicklung der relevanten Forschungsfelder markieren.

Inhalt
Ralf Klausnitzer, Carlos Spoerhase: Vorwort der Herausgeber
 Ralf Klausnitzer: Koexistenz und Konkurrenz. Theoretische Umgangsformen mit Literatur im Widerstreit
Carlos Spoerhase: Konsens und Dissens; Theorie und Praxis der Kontroverse in der Wissenschaft
Lutz Danneberg: Gelehrtenstreit, ad-personam-Invektive und philologisches Ethos im 19. Jahrhundert. Wilamowitz-Moellendorff contra Nietzsche
Dorit Müller: Lufthiebe streitbarer Privatdocenten. Kontroversen um die theoretische Grundlegung der Literaturwissenschaft (1890–1910)   
Hans-Harald Müller: Geistesgeschichte vs. Positivismus
Wolfgang Höppner: Geistesgeschichte vs. Philologie. Gundolfs Goethe in der Kontroverse
Markus Wild: Die Kontroverse zwischen Staiger und Heidegger
Andreas Dittrich: „Jargon der Eigentlichkeit"?  Die Kontorverse zwischen Adorno und Heidegger
Julia Masour: Die Kontroverse um Käte Hamburgers „Logik der Dichtung“
Oliver Müller: Subtile Stiche. Hans Blumenberg und die Forschungsgruppe "Poetik und Hermeneutik"
Gideon Stiening: Literaturtheoretische Probleme der Editionsphilologie. Am Beispiel der Hölderlin-Ausgaben
Tilmann Köppe: Der ,intententionale Fehlschluss‘ in der Kontroverse. M.C. Beardsley und W. K. Wimsatt gegen E. D. Hirsch
Markus Wild: Die Kontroverse zwischen Staiger und Heidegger
Marcel Lepper: Die „strukturalistische Kontroverse“, die keine war. Die Konferenz von Baltimore 1966 und die Folgen
Dirk Werle: Die Kontroverse zwischen John Searle und Jacques Derrida über eine adäquate Theorie der Sprache
Judith Frömmer: Derridas und de Mans Rousseaulektüren
Tom Kindt: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Stanley Fish vs. Wolfgang Iser
Guido Naschert, Ralf Klausnitzer: Gattungstheoretische Debatten. Nominalismus vs. Realismus; Chicago Aristoteleans vs. New Criticism; Todorov vs. Kristeva
Matthias Aumüller: Strukturalismus und Kognitivismus in der Narratologie
Christina Wald: Martha C. Nussbaum versus Judith Butler oder ‚Old-style‘-Feminismus versus poststrukturalistische Gender-Theorie
Christopher Möllmann: „... culture hates hatred ...“. Stefan Collini, Francis Mulhern und das Idiom der Kultur
Markus Joch: System ‚vs.‘ Feld. Skizze eines schwelenden Konflikts
Katrin Fischer: Die Haug-Graevenitz-Debatte in der DVjs