Vom Winde bewegt
In 20 Tagen fuhren die Abenteurer Bertrand Piccard und Brian Jones im Ballon um die
Welt eine Reise in die eigene Psyche.
Journalist:
Herr Piccard, warum haben ausgerechnet Sie die Ballonfahrt um die Welt geschafft,
nachdem 21 Versuche zuvor gescheitert sind?
Piccard:
Wir waren am besten ausgerüstet und hatten das beste Team. In unserem Kontrollzentrum
in Genf saßen drei hervorragende Fluglotsen und zwei phantastische Wetterexperten.
Und außerdem hatten wir viel Glück. Wichtig war aber auch, dass wir großen Spaß am
Ballonfahren haben. Es ging uns nicht primär um den Rekord oder das Preisgeld von einer
Million Dollar, das war nur der Zuckerguss auf dem Kuchen. Ich glaube, man muss wirklich
mögen, was man tut, dann ist die Chance erfolgreich zu sein, am größten. Die Ballonfahrt um die Welt ist schwieriger als zum Beispiel der Flug ins All. Denn es kommt
nicht darauf an, dass die Technik die Natur besiegt, sondern man muss sich mit der
Natur im Einklang befinden. Man muss den Wind lesen und sich von ihm tragen lassen.
Das ist der Geist des Ballonfahrens. Einen Ballon kann man nicht steuern. Man kann ihn nur
rauf und runter dirigieren, in welche Richtung er schwebt, hängt davon ab, welche
Windströmung er erwischt.
Die Meteorologen im Kontrollzentrum haben 100 Prozent zum Erfolg beigetragen, der
Rest des Teams ebenfalls 100 Prozent, die Piloten 100 Prozent, und wir hatten 100
Prozent Glück. Hätte nur ein Prozent bei all diesen Faktoren gefehlt, wären wir gescheitert. Die Meteorologen hatten sehr gutes Datenmaterial aus Europa und den USA. Damit konnten
sie unseren Flug am Computer immer wieder simulieren, ausprobieren, wohin wir in
dieser Höhe treiben würden. 1200 Simulationen waren es insgesamt. Das Gespür der
Piloten ist natürlich auch sehr wichtig. Wir mussten immer wieder die Höhe wechseln, um
auszuprobieren, ob wir nicht noch näher an unseren Idealkurs herankommen. Wir mussten
ja China überfliegen, denn beide großen West-Ost-Luftströmungen, der nördliche Jetstream und der südliche, führen darüber hinweg. China hat uns nur einen sehr schmalen Korridor
für die Überfahrt genehmigt. Die größte Leistung unserer Wetterexperten war, dass
sie uns durch dieses Nadelöhr geführt haben. Der Vorteil des chinesischen Starrsinns
war andererseits, dass wir einen weiten Umweg genommen haben, denn wir mussten weit
nach Süden. So haben wir alle Distanzrekorde gebrochen.
Wir haben den Tag in Acht-Stunden-Schichten eingeteilt. Während der eine den Ballon
steuerte, hat der andere geschlafen. Den Test der Zeit haben wir zusammen verbracht.
Wir haben versucht, das Leben an Bord so normal wie möglich zu gestalten. Es gab
Trockenpulver, das wir mit heißem Wasser in Pasta oder Kartoffeln verwandeln konnten. Auch
auf Hygiene haben wir sehr geachtet. Wir hatten zwar kein Wasser zum Waschen, aber
Unmengen von feuchten Babytüchern an Bord. Aber es war schon sehr eng in der Kabine.
Es war, als wäre man drei Wochen zu zweit in einem Hotellift eingesperrt. In einer solchen
Situation kann dir jedes kleine Detail am anderen auf die Nerven gehen. Wenn der
eine Mundgeruch hat, dann kann das den anderen in den Wahnsinn treiben. Wir hatten
vereinbart, dass wir alles, was uns stört, sofort zur Sprache bringen.
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