"Mode hat stahlhartes Innenleben"

Tom Ford wurde 1994 Kreativdirektor für alle Gucci-Produktlinien, die Werbung und die Gestaltung der Läden weltweit. Gemeinsam mit dem heutigen Vorstand Domenico De Sole machte er Gucci zur Label-Erfolgsstory der Neunziger.

Journalist: Ist Tom Ford so mächtig, daß die Mode ihm Folgt?

Tom Ford: Nein, ich denke mir das ja nicht aus, ich höre mich in Los Angeles, Paris oder Mailand um. Ich habe Freunde, die beobachten und Stimmungen aufnehmen können. Die Kritik hat mir immer die 70er Jahre angedichtet, andere reden von Millennium-Mode, und mir ist alles egal. Die Leute überintellektualisieren die Mode, das ist Blödsinn. Mode ist frivol, Mode ist Leben. Manchmal gibt es Rock-Stars, die ein Komplettes Outfit wollen, auch gut, es sind Stars. Aber mein normaler Kunde findet ein Stück interessant und Kombiniert es. Eine Gucci-Bluse, Jeans, Lippenstift fertig für den Abend. Ich versuche, lachen Sie jetzt nicht, einem demokratischen Trend zu folgen. Die Menschen brauchen weniger Dinge heutzutage, aber das wenige soll eine bessere Qualität haben. Zu uns kommen junge Kunden, die wollen nur das eine Jackett oder das eine Paar Schuhe. Weil sie einfach ein edles Element am Körper haben wollen. Ich kenne Menschen die sich komplett auf dem Flohmarkt einkleiden und besser aussehen als die, die meine Läden leerkaufen. Stil ist, eine Identität zu erwerben, nicht ein Label.

Als schwuler Mann weiß ich, wann eine Frau gut und sexy aussieht. Das ist jetzt riskant, was ich sage, aber wenn Sie eine visuelle Person sind, dann schauen Sie auf Frauen und Männer so wie auf Autos, Möbel oder Architektur das Design muß stimmen. Natürlich habe ich viele Freunde, die Frauen sind. Schauen Sie sich doch hier im Büro um, ich bin von Frauen umzingelt. Auf sie höre ich, wenn sie sagen: Tom das kann keine Frau tragen. Ich will ja auch, daß mein Hintern in einer Hose gut rauskommt. Wir wollen scharf aussehen, Männer wie Frauen, das ist das Ziel. Es gibt in der Sommerkollektion ein paar Sachen, da kann ich mir vorstellen, daß man mit 20 oder 25 danach giert. Mit 35 sollte man wissen, daß man damit nicht mehr gut qussieht. Andererseits: Sean Connery könnte Gucci tragen. Er ist fast 70 und so sexy. In Amerika werden die Menschen immer fetter und fetter, und das ist entsetzlich. Die Amerikaner essen den ganzen Tag, und die Portionen sind so groß wie Gebirge. Sie bestellen eine Cola und bekommen einen ganzen Eimer, sie bestellen ein Steak und bekommen ein Monster. Das kann nicht gesund sein! Natürlich gibt es Körper, die nie ganz dünn werden können, aber es reicht doch, bewußt mit dem Essen umzugehen.

Die Gucci-Welt zu dirigieren ist nicht einfach. Wir wachsen sehr schnell, innerhalb von vier Jahren haben wir 2000 neue Mitarbeiter eingestellt, und unser Sortiment hat sich vergrößert. Ich will es weiterhin schaffen, jedes Teil, auf dem Gucci steht, zu gestalten oder es zumindest zu prüfen. Deshalb mußte ich lernen zu delegieren. Dazu brauchen Sie gute Leute und Vertrauen in ihr Können. Dann schauen Sie sich deren Arbeit an, nehmen davon, was Sie brauchen und inspirieren sie für die nächste Kollektion. Ich bin so was wie der Regisseur eines großen Films, der Gucci heißt. Zur Zeit arbeite ich daran, alle Gucci-Geschäfte weltweit umzubauen. Ich hab' die alten Läden gehaßt, die haben nichts mit Gucci von heute zu tun. Vieles im neuen Ladendesign kommt aus meinem Haus in Los Angeles. So geht das heute, Sie verkaufen soviel von sich wie möglich. Was seltsame Folgen hat. In meinen Läden fühle ich mich wie zu Hause, auf der Straße sehe ich Leute mit meiner Frisur.


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