© Reinhold Wulff, Berlin

Schleswig-Holstein hat oft eine Brückenfunktion zwischen Mittel- und Nordeuropa ausüben können, eine Reihe neuer Bücher beleuchtet die Vergangenheit dieses Landstriches.

Schon 1955 begann man im Norden der Bundesrepublik Deutschland mit dem ehrgeizigen Projekt, eine wissenschaftlich fundierte, umfangreiche und detaillierte Geschichte Schleswig-Holsteins vorlegen zu wollen. In der Tat fehlte seit den - national geprägten - Bemühungen des 19. Jahrhunderts eine entsprechende Gesamtdarstellung, das Publikum mußte mit den stetig überarbeiteten, aber doch immer mit dem in der wissenschaftlichen Methodik fragwürdigen und vorurteilsbehafteten Grundriß von Otto Brandt "Geschichte Schleswig-Holsteins" (seit 1925, inzwischen nicht mehr auf dem Markt) vorliebnehmen. Das 1955 von Otto Klose gestartete Unternehmen aber ist bis heute, über vierzig Jahre nach dem Beginn der Teillieferungen, immer noch nicht vollendet. So blieb dem Interessierten bis in die 1990er Jahre hinein kaum eine Möglichkeit, sich über die Vergangenheit dieses nördlichsten Bundeslandes kompetent informieren zu lassen.


Geschichte Schleswig-Holsteins
Ein Überblick von Alexander Scharff, Neuausgabe von Manfred Jessen-Klingenberg
Freiburg: Verlag Ploetz, 5., akt. u. überarb. Aufl. 1991 (Territorien-PLOETZ)
144 S., DM 34,--


Lediglich eine Sonderausgabe des Territorien-Ploetz zur Geschichte der deutschen Länder, bearbeitet von den Kieler Landeshistoriker Alexander Scharff, war seit 1984 zu erwerben und setzte sich vom Brandtschen Bruch in seinem etwas behutsameren Umgang mit der Problematik des deutsch-dänischen Verhältnisses ab. Die zur Zeit erhältliche Neuausgabe von 1991 folgt dieser Tendenz, aber immer noch bleibt ein Beigeschmack deutsch-nationaler Betrachtungsweise, so wird die vergleichsweise milde Sprachpolitik der Dänen nach 1851 wesentlich wortreicher und härter beurteilt als die preußische Zwangspolitik auf diesem Gebiet nach 1864. Aber insgesamt macht diese Darstellung einen zuverlässigen Eindruck - und ermüdet den Lesenden, denn als kaum gelungen erscheint es mir, den Anspruch des "ursprünglichen" Ploetz, anhand fester Jahreszahlen knappe, "objektive" Informationen zu geben mit einer fortschreitenden Erzählung zu verknüpfen. Der Text wird dadurch gestaucht, Informationen häufen sich auf jeder Seite, Namen und Daten verlieren sich beim noch nicht eingeweihten Lesenden zu einem einzigen Brei, in dem man wesentliche Züge der Entwicklung sich nicht mehr herauskristallisieren sieht. Dem Ploetzschen Anspruch hätte es sicherlich gut getan, ein ausführliches Datengerüst samt Statistiken über Regierungen, Wahlen, Wirtschaftsdaten (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte werden insgesamt stiefmütterlich behandelt) beizufügen und damit die Darstellung von vielen trockenen Informationen zu erleichtern. Also ein nur bedingt als Einführung zu empfehlendes Werk.

Zum Glück aber sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden eine ganze Reihe neuer Werke über Schleswig-Holstein erschienen, die die Informationslücken füllen können. Dazu gehört zunächst einmal der historische Atlas zur schleswig-holsteinischen Geschichte von Christian Degn


Christian Degn
Schleswig-Holstein eine Landesgeschichte
Historischer Atlas
Neumünster: Wachholtz, 1994
331 S., DM


Christian Degn war bis zu seiner Emeritierung Lehrstuhlinhaber für schleswig-holsteinische Geschichte an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und hat im Wachholtz Verlag bereits drei Atlasbände zu Schleswig-Holstein herausgegeben. Mit dem jetzt vorgelegten historischen Atlas hat sich Degn den lange gehegten Traum verwirklichen lassen, eine exemplarische Geschichtsdarstellung Schleswig-Holsteins vorzulegen. Dabei ist die Bezeichnung "Atlas" in die Irre führend, tatsächlich handelt es sich nicht um einen Atlas im herkömmlichen Sinne, den Atlascharakter erhält das Werk vielmehr lediglich dadurch, daß alle Kapitel (die sich jeweils über eine Doppelseite erstrecken) mehr oder weniger ausführlich bebildert sind. Dabei wechseln sich Faksimiles von Dokumenten, Karten, Porträts, Tabellen und Grafiken ab, alle von bemerkenswerter Druckqualität, aber nicht immer so aussagekräftig, wie es in diesem Atlasband zu wünschen wäre. Einmal ist das Bild auch ganz und gar falsch: Als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident wird uns nicht Friedrich Wilhelm Lübke vorgestellt, sondern der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke!

Degn nimmt in seinen Kapiteln, die keinen vollständigen, sondern einen beispielhaften Durchgang durch die Geschichte geben sollen, kein Blatt vor den Mund, äußert sich mitunter recht deutlich und wenig nachsichtig, gerade dänischen Positionen gegenüber. So werden auch hier dänische Sprachreskripte härter verurteilt als preußische, versteigt sich Orla Lehmann im Opiumrausch dazu, den schwedischen König um Beistand anzurufen, werden empörte Proteste in den Herzogtümern "wie üblich" durch Polizeimaßnahmen unterdrückt. Während Bismarck nüchtern und geschickt agiert, ist die skandinavische Politik von Wein, Reden, Opium und Fieberräuschen geprägt.

Als weiteres Manko fällt auf, daß in einigen Kapiteln zwar wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklungen berührt werden, diese aber den "Haupt- und Staatsaktionen" der Männer, die Politik machen, immer untergeordnet bleiben. Frauen finden sich bei Degn nur als Nonnen oder friesische Trachtenträgerinnen, als gesellschaftlich und politisch Handelnde sind sie unterrepräsentiert, auch wenn die Ministerpräsidentin Heide Simonis bereits erwähnt wird. Als Handelnde tauchen auch die Unterschichten kaum auf, ebenfalls zu kurz kommt die nordfriesische Bewegung sowie die Geschichte Lauenburgs.

Den Abschluß des Bandes bilden eine Zeittafel, eine knappe Literaturliste sowie Personen- und Sachregister, ein Ortsregister fehlt leider. Auch hier finden sich Flüchtigkeitsfehler, wie schon Druck- und Trennfehler, fehlplazierte Textteile sowie Ungereimtheiten im Inhaltsverzeichnis, die das Lesevergnügen einschränken. Bei diesem ansonsten prachtvoll anzuschauenden Band sind solche Fehler nicht zu akzeptieren - dem Verlag ist bei dem doch stolzen Preis für dieses Werk eine mangelnde Sorgfalt im Umgang mit dem Text anzukreiden! [Inzwischen ist eine überarbeitete und korrigierte Neuauflage erschienen!]

Auch als "Atlas" könnte man den von der Kieler Landesbibliothek herausgegebenen Band zu Schleswig-Holstein nennen. Aus Anlaß des einhundertjährigen Bestehens einer öffentlichen wissenschaftlichen Landesbibliothek in Schleswig-Holstein wurde ein Prachtwerk von deren Direktor Dieter Lohmeier zusammengestellt, das das Auge in höchstem Maße erfreut. Der formale Aufbau ist dabei dem Band von Degn gar nicht unähnlich: Jeweils eine Doppelseite ist einem Thema gewidmet, nur gönnt man hier dem Bild einen viel größeren Raum, denn jeweils eine Seite ist nur der Abbildung gewidmet, das Bild steht dem Text also gleichwertig gegenüber. Und eine exemplarische Darstellung schleswig-holsteinischer Geschichte gelingt auch hier, wobei sich natürlich nur Kapitel darstellen lassen, für die Materialien im Fundus der Bibliothek zu finden sind. Deshalb ergibt sich hier eine notwendige Einschränkung der behandelbaren Probleme, trotzdem spiegeln die Beiträge eine große Vielfalt historischer, volkskundlicher, künstlerischer, musikalischer, sportlicher Entwicklungen im Norden Deutschlands.


Dieter Lohmeier (Hrsg.)
Schleswig-Holstein.
Geschichte und Kultur im Spiegel der Landesbibliothek
Heide: Boyens & Co, 1995, 237 S., 68,- DM


Eingeleitet wird das Buch mit einem Abriß der Geschichte der Landesbibliothek, vorgestellt werden dann, im wesentlichen chronologisch orientiert, in 100 Kapiteln beispielhafte Materialien aus den Beständen, die von Dieter Lohmeier selbst oder anderen kompetenten Autorinnen und Autoren beschrieben und interpretiert werden. Literaturhinweise schließen jeden Beitrag ab. Hier finden sich frühe Handschriften, Gemälde, Gesetzestexte, Karten und Atlanten, Musikalien, volkskundliche Quellen und die umfassende Schachsammlung der Bibliothek. Hingewiesen wird auch auf die beiden wissenschaftlichen Publikationen aus dem Hause der Landesbibliothek, die "Schleswig-Holsteinische Bibliographie" sowie das "Biographische Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck".

Leider fehlt jegliches Register, der einzige Schönheitsfehler, der mir ins Auge fiel. Trotzdem lädt dieses Werk zum Schmökern ein, vermittelt fundiertes Wissen zu verschiedenen Aspekten Schleswig-Holsteins und ist auch bestens geeignet, um einzelne Kapitel als Unterrichtsmaterialien zu verwenden. Aufgrund der großzügigen Darstellung der Abbildungen ist es sogar möglich, Handschriften und Zeitungsartikel zu lesen und interpretieren zu lassen. Ein gelungenes Geburtstagspräsent einer wichtigen schleswig-holsteinischen Institution!

Im Wachholtz Verlag erschien ebenfalls im letzten Jahr, herausgegeben von dem Kieler Historiker Ulrich Lange, mit dem Band "Geschichte Schleswig-Holsteins" eine Monographie, die definitiv das lange Warten auf die noch ausstehenden Lieferungen der umfangreichen Geschichte dieses Bundeslandes (s.o.) erleichtert - wenn es jenes stockende Projekt nicht vielleicht sogar überflüssig macht.


Ulrich Lange (Hrsg.)
Geschichte Schleswig-Holsteins
Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Neumünster: Wachholtz, 1996, 791 S., 85,--


Auf über 650 Seiten Text wird ein umfassender Bericht über die schleswig-holsteinische Geschichte abgeliefert, der auch strengen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. Aber um hier zu beginnen, wo die Besprechung des Degnschen Atlas-Bandes endete: Auch bei diesem Band hätte ich mir einen sorgfältigeren, ja liebevolleren Umgang des Verlages mit dem Material gewünscht. Das Inhaltsverzeichnis ist leider unübersichtlich und wirkt aufgrund der vielen Schriftformate sehr unruhig, wenig augenfreundlich ist die sehr detaillierte Zeitleiste auf einem Dutzend Seiten, noch nutzerfeindlicher sind die Literaturhinweise: Am Ende der Unterkapitel finden sich Literaturangaben zum jeweils behandelten Thema, diese sind jedoch nach einem nicht erklärten oder erkennbaren System geordnet (oder ist die Reihenfolge willkürlich?) und erschweren die Orientierung noch zusätzlich dadurch, daß einige Male nur unvollständige Angaben mitgeteilt werden, die ausführlicher wohl bei früheren Kapiteln angegeben wurden. Aber die zu finden ist ein mühsames Unternehmen - und Stichproben zeigen dann, daß nicht immer die neueste Literatur berücksichtigt wurde, dies gilt z.B. für die Geschichte der Schule. Am Ende des Buches findet man dann eine sehr knappe Liste der wichtigsten Literatur - auch diese unübersichtlich und aufgrund fehlender angegebener Kriterien in der Auswahl nicht unbedingt in jedem Punkt nachvollziehbar. Lobend möchte ich die detaillierten Personen, Sach- und Ortsregister erwähnen und die formale Gestaltung des fortlaufenden Textes mit Marginalüberschriften, klar voneinander abgetrennten Kapiteln und hervorragend wiedergegebenen Karten und (teilweise farbigen) Abbildungen. Die Übersicht ist im Text besser gewährleistet als im Inhaltsverzeichnis. Etwas störend wirken lediglich die eingefügten Exkurse, meist zur Kunst- und Kulturgeschichte - aber so etwas läßt sich in einem von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalteten Handbuch wohl nicht vermeiden.

Diesen Bedenken formale Aspekte betreffend steht ein sehr positiver Eindruck dem Inhalt gegenüber. Den Autorinnen und Autoren ist es gelungen, beginnend mit den Kulturen der Spät- und Nacheiszeit und abschließend mit den Auswirkungen der "Wiedervereinigung" auf Schleswig-Holstein, nahezu alle Aspekte schleswig-holsteinischer Entwicklungen kompetent zu betrachten. Dabei kommen auch soziale, wirtschaftliche und volkskundliche Betrachtungsweisen nicht zu kurz, sondern werden in eigenen Kapiteln ausführlich abgehandelt, mit Diagrammen und Statistiken veranschaulicht und in Beziehung gesetzt zu den politischen Entwicklungen. Dadurch wird auch der dänisch-deutsche Gegensatz etwas aus dem Zentrum der Darstellung genommen, der sonst in den anderen Monographien zu Schleswig-Holstein immer wieder im Mittelpunkt des Interesses steht. Hier wird nüchtern über das Aufkommen dieses "nationalen" Gegensatzes berichtet, damit auch die immer wieder auftauchende Mär von der Undurchschaubarkeit der schleswig-holsteinischen verfassungsrechtlichen und politischen Situation im 19. Jahrhundert entkräftet. Preußens Eingreifen in diesen Konflikt wird folgerichtig unter der Überschrift "Preußens Annexion der Herzogtümer" gestellt. Ausführlich wird auch auf die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs mit der Revolution und dem Entstehen der Arbeiter- und Soldatenräte, der Grenzfrage und der Abstimmung über Nordschleswig 1920 sowie die Entwicklung der Landvolkbewegung sowie dem Erstarken der NSDAP dargestellt. Hier hätte man sich allerdings - und das gilt für die ganze Zeit des 20. Jahrhunderts - Tabellen mit den Wahlergebnissen zu den verschiedenen Wahlen gewünscht. Diesen Service hätte ein als Handbuch konzipiertes Werk unbedingt bieten sollen!

Trotz der auch geäußerten Kritik ist dieses Übersichtswerk - auch bei dem doch hohen Preis - zum Kauf zu empfehlen, im Augenblick bietet es die überzeugendste Einführung in die schleswig-holsteinische Geschichte, der ein erfolgreicher Absatz zu gönnen ist. Nicht zu letzt deshalb, da dann in einer zweiten Auflage der Serviceteil (Zeitleiste, Literaturverzeichnisse, zusammenfassende Daten in einem Anhangteil) verbessert werden und vom Lektorat einige sprachliche Schnitzer ausgebügelt werden könnten. Einige Texte lesen sich leider sehr schwerfällig. Ein Satzungetüm zur Hanse wie der folgende wird von mir in Seminararbeiten angestrichen: "Die aus hochmittelalterlichen Fahrtgemeinschaften von Kaufleuten mehrerer Städte heraus entstandene Vereinigung von Kaufleuten und Städten, die zur Durchsetzung der eigenen Interessen bei der Vermittlung des Warenaustausches zwischen den Rohstoffgebieten des Ostens und den gewerblichen Produktionsgebieten des Westens diente, beruhte auf einem System gemeinschaftlich durch Koordinierung verschiedener Kaufleutegruppen errungener Handelsprivilegien im Ausland (...) und auf einem innerhansischen Präferenzsystem, die beide bis ins 15. Jahrhundert hinein bestehen blieben." Besonders bei den Autoren Hammel-Kiesow und Pelc findet sich so etwas, aber leider auch bei anderen.

Selten kommt es vor, daß monumentale Bildbände in ihrem Textteil die Qualität der Fotografien erreichen, meist enttäuscht der seichte Text und dient mehr oder weniger als hingenommene Zugabe zum eigentlichen Zweck des Bandes: dem Betrachten der schönen Landschaften und Gebäude. Nicht so das schwergewichtige, hochformatige, 520 Seiten dicke, mit fast 500 Abbildungen bestückte Schleswig-Holstein-Buch aus dem Ellert & Richter Verlag in Hamburg.


Das große Schleswig-Holstein Buch
Hamburg: Ellert & Richter Verlag, 1996
520 S., DM 128,--


Unter Federführung des Molfseer Museumsleiters Carl Ingwer Johannsen und des Hamburger Historikers Eckard Opitz liefern in diesem Band vierzig Autoren (und nur eine Autorin !) zum größeren Teil vorzügliche Beiträge zur Geschichte und Kultur Schleswig-Holsteins. Eingeleitet wird der Band mit literarischen "Liebeserklärungen" aus der Feder von bedeutenden Dichtern, so Klaus Groth, Theodor Storm und Günter Kunert. In fünf großen Kapiteln werden dann die Geschichte, die Landschaften, Land und Leute, Kunst und Kultur sowie Natur und Technik Schleswig-Holsteins von Spezialisten auf ihrem jeweiligen Gebiet vorgestellt. Natürlich sind einige inhaltliche Punkte zu kritisieren, so ist der historische Teil doch sehr verkürzt (1864 bis 1914 auf gut einer Seite) und die preußische Inkooperation und die heutige Existenz als Bundesland als "historisches Ziel" der Landesgeschichte zu überschreiben, erscheint mir doch eine sehr teleologische Sichtweise der Geschichte, die zudem der preußischen Politik sehr positiv gegenübersteht. Dänisch sowie schleswig und holsteinische Bestrebungen und Erfolge, zum Beispiel auf dem Schulsektor, werden von Opitz meiner Meinung zu wenig berücksichtigt.

Diese Kritik soll nicht als zu kleinkariert aufgefaßt werden, sicherlich ist auf eng umgrenzten Raum keine ausdifferenzierte Darstellung möglich - und als Einführung taugen die Beiträge von Opitz allemal. Genauso wie die Fachbeiträge der anderen Autoren, die allesamt zu den Experten auf ihren Gebieten gehören. So beschreibt der Sozial- und Wirtschaftshistoriker Klaus-J. Lorenzen-Schmidt die Entwicklung der Landwirtschaft, der Sprachwissenschaftler Willy Diercks stellt die Bedeutung des Niederdeutschen vor, Manfred Jessen-Klingenberg führt in die Geschichte Ederstedt und Friedrichstadts ein, Nis R. Nissen in die Dithmarschens.

Erfreulich ist in diesem Band das große Gewicht, daß Kunst, Kultur und auch Natur und Technik erhalten, Aspekten, die sonst in Reiseführern oft vergessen werden. Denn als Reiseführer versteht sich dieses Buch durchaus, wenn es auch aufgrund seines Formats kaum geeignet ist, mit auf die Reise genommen zu werden. Die Bilder verlocken zum Besuch dieses Landes zwischen Nord- und Ostsee, zwischen dänischer Grenze und Elbe. Neben großformatigen, über Doppelseiten sich erstreckende Panoramaaufnahmen in ausgezeichneter künstlerischer, aber auch drucktechnischer Qualität, stehen kleinere Detailaufnahmen, jeweils in angemessener Größe dargestellt und ebenso schön wie die Großaufnahmen. Diese stammen nicht von nur einem oder zwei Fotografen, sondern wurden von den Autoren und dem Verlag aus Archiven und Privatbesitz zusammengesammelt. Eine bemerkenswerte Leistung stellen auch die sorgsam formulierten Bildunterschriften dar, die sich von den üblichen Floskeln "Wattenmeer bei Sonnenuntergang" wohltuend abheben, hier dient die Unterschrift zur Erklärung und Erläuterung und bildet somit eine Klammer zum Text. Schade nur, daß auch hier, wie bei so vielen Bildbänden, nur Landschaften und Gebäude gezeigt werden - Menschen hingegen in diesem großen Schleswig-Holstein-Buch im Bild kaum vorkommen. Aber dennoch: Auch den stattlichen Preis von DM 128,-- ist dieser Band wert!

Die beiden folgenden, fast schon altehrwürdig zu nennenden Bände sind vom Format her besser als Reiseliteratur im Gepäck geeignet und haben bereits seit Jahren gute Dienste bei der Vorbereitung und Begleitung von "Bildungsreisen" geleistet. Zunächst ist dort das "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler", kurz immer noch nach seinem Begründer "Dehio" genannt, zu erwähnen. Der Band zu Hamburg und Schleswig-Holstein erschien 1994 in zweiter, stark erweiterter und veränderter Auflage.


Georg Dehio
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein
Bearbeitet von Johannes Habich, Christoph Timm und Lutz Wilde
München: Deutscher Kunstverlag
950 S., DM 78,--


Auf fast 1000 Seiten werden hier, nach dem Alphabet der Orte sortiert, Kunstdenkmäler vorgestellt und interpretiert, Sternchen am Rande verweisen auf besonders wertvolle Objekte, die meist ausführlich geschildert werden. Die größeren Städte werden noch einmal untergliedert in Kirchen und Klöster, Amtshäuser, Wohnhäuser und weiteres. Nur historisch sehr bedeutenden Orten wird zusätzlich ein Abriß ihrer Geschichte gegönnt. Der Umfang der kunsthistorischen Erläuterungen erschlägt den Lesenden fast - hier gibt es kein Detail, das man vermissen würde. Der Dehio macht die Anschaffung von Informationsmaterialien vor Ort so gut wie unnötig, so werden der Dom sowie die Marienkirche zu Lübeck auf jeweils mehr als einem Dutzend Seiten vorgestellt, ein vergleichsweises bescheidenes Herrenhaus wie das vom Gut Weißenrode in Lübeck-Niendorf erhält fast zwei Seiten Aufmerksamkeit! Der kunsthistorische Sachverstand muß sich nicht kritisch hinterfragen lassen, die Erfahrung in der Publikation eines entsprechenden Handbuches seit der Begründung im Jahre 1900 am Tage der Denkmalpflege und der Ausgabe des ersten Bandes 1905 macht sich hier im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt, denn die knapp 80,-- DM sind für dieses Werk gut angelegtes Geld. Zudem erhält man noch ein kleines Lexikon der Fachausdrücke, das wertvolle Informationen gibt - schade nur, daß dieser Teil nicht, wie in der vorherigen Auflage, separat gedruckt wurde. Ein Kirchengrundriß mit der Bezeichnung der wichtigsten Gebäudeteile, ein Personenregister sowie Karten mit Hervorhebung der im Buch behandelten Ortschaften ergänzen den Servicecharakter des Handbuches, das für Kunsthistoriker eine einzige Freude darstellt.

Weniger Freude macht der Band allerdings Mitgliedern der Historikerzunft, nicht nur sind die historischen Kapitel - wenn überhaupt vorhanden - sehr kurz (zur Hansestadt Lübeck vier seiten - der Marienkirche wird viermal Platz eingeräumt), nein, es finden sich leider auch sinnentstellende Verkürzungen und Flüchtigkeitsfehler, so wurde der Unsinn aus der vorigen Auflage, Brüssel als Hansekontor zu bezeichnen, auch in der neuen wiederholt (gemeint ist sicherlich Brügge). Trotzdem ist das Buch für die kunstgeschichtlich orientierte Reise durch Schleswig-Holstein sehr zu empfehlen, es gibt nichts besseres!

Einen ähnlichen Charakter hat das "Handbuch der Historischen Stätten", in dem zunächst nur deutsche Territorien aufgenommen wurden, das inzwischen aber auch andere europäische Regionen berücksichtigt. Leider ist der Band zu Schleswig-Holstein vergriffen, lieferbar ist aber der Dänemark-Band, der aufgrund der schleswig-holsteinisch/dänischen Geschichte für unser Gebiet interessante Orte beschreibt.


Olaf Klose (Hrsg.)
Handbuch der historischen Stätten. Dänemark
Stuttgart: Alfred Kröner, 1982
XLIV, 257 S., DM 25,--


Der Band ist sehr ähnlich dem "Dehio" aufgebaut, nach zwei kurzen historischen Einführungen werden die Orte in Dänemark in alphabetischer Ordnung vorgestellt, alle für Nordschleswig/Sønderjylland aufgeführten sind dabei mit der schleswigschen Geschichte unmittelbar verbunden, darauf wird auch regelmäßig hingewiesen.

Eingeleitet wird dieses Handbuch mit einer "Geschichte Dänemarks" von Michael Venge, gefolgt von einem Beitrag "Grundzüge der Geschichte Schleswigs" von Erich Hoffmann, die beide aufgrund ihrer Kürze nur knappe Einblicke in diesen Bereich geben können. Die historischen Erläuterungen zu den einzelnen Orten sind korrekt, ausführlich, aber trotzdem, anders als beim "Dehio", lassen sie oft den Wunsch nach mehr Informationen entstehen. Da ist es eine Hilfe, daß oft weiterführende Literaturangaben zu finden, etwas, das man im Kunsthandbuch vermißt. Allerdings sind diese bibliographischen Hinweise nicht mehr ganz frisch, schließlich ist dieser Kröner Band schon fünfzehn Jahre alt! Hier ist der Verlag wirklich zu tadeln, daß noch keine Neuauflage erscheinen konnte.

Eine Neubearbeitung sollte sich dann auch zum Ziel nehmen, den vorherrschenden Ton der "nationalen" Auseinandersetzung um den Grenzraum zu tilgen oder zu mildern. Immer wieder wird bei den Orten in der Grenzregion auf das Abstimmungsverhalten der Bevölkerung hingewiesen, es werden "dänische" und "deutsche" Stimmen einander gegenübergestellt und aus ihnen die nationale Gesinnung der Bevölkerung gefolgert. Gespart wird dann aber mit Belegen für Behauptungen wie: "Die [!] Bevölkerung von L.[ügumkloster] war bei der Erhebung 1848 antischleswig-holsteinisch gesonnen." Bei einer Neubearbeitung sollten dann auch die "Erläuterungen" von Fachausdrücken neu verfaßt werden, die hier auf zwei Seiten angeführten Begriffe scheinen sehr willkürlich ausgewählt worden zu sein und sind oft verkürzt und nicht in ihrer ganzen Fülle erläutert, so gab es z.B. nicht nur 1810 Sprachreskripte. Zu den Personen- und Ortsregistern wäre dann auch ein zusätzliches Sachregister sehr hilfreich sowie eine ausführliche Literaturliste am Ende, die hier vorgelegte ist doch sehr, sehr knapp.

Trotz der geäußerten Kritik: Beim jetzigen Preis ist dieses Handbuch als schnelle Orientierung zu empfehlen. Schön wäre es aber, wenn für einen vielleicht geringfügig höheren Preis der Verlag sich zu Neuauflagen der Bände zu Schleswig-Holstein/Hamburg und Dänemark entscheiden könnte, in denen die vorhandenen Mängel ausgemerzt sein sollten.

Abschießend sei auf eine neue Detailstudie eines der umstrittensten Themen in der schleswig-holsteinischen Geschichte hingewiesen.


Gerd Stolz
Die schleswig-holsteinische Erhebung
Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51
Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 1996
224 S., DM 29,80


Einen der wichtigsten Problemkreise für das Verständnis der dänisch-schleswigholsteinischen Verhältnisse behandelt Gerd Stolz in seiner Monographie zur schleswig-holsteinischen Erhebung bzw. zum "Dreijahreskrieg", wie man diesen Zeitraum in Dänemark nennt. Stolz stellt dabei - leider - die militärischen Aspekte in der Auseinandersetzung um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schleswig-Holsteiner in den Mittelpunkt. So erfährt man alle nur denkbaren Details über die Rekrutierung, die Stärken und die Befehlsstrukturen der dänischen, schleswigholsteinischen, preußisch-deutschen Armeen, liest genau Schlachtbeschreibungen der Kämpfe zwischen den Heeren, illustriert mit Hilfe von Schlachtgemälden, Generalsporträts und ähnlichem. Die national-politische Bedeutung, auch gerade im Zusammenhang mit der "deutschen Märzrevolution", wird zwar auch beleuchtet, gerät dem Autor aber zum zweitrangigen Kapitel. Trotzdem ist dieser Band für das Verständnis der Entwicklungen im Norden Deutschlands in der Mitte des 19. Jahrhunderts nützlich, zumal eine umfangreiche Chronologie die Orientierung im Thema erleichtert.

Unmittelbar vor Redaktionsschluß kam ein Kunst-Reiseführer von DUMONT auf den Markt, der kurz gewürdigt werden soll.


Andreas Rumler
Schleswig-Holstein
Kultur, Geschichte und Landschaft zwischen Nord- und Ostsee, Elbe und Flensburger Förde
Köln: DuMont Buchverlag, 1997
408 S., DM 39,90


Wie die meisten DUMONT Reiseführer ist auch dieser schön anzuschauen, einige doppelseitige und viele kleinere Farbabbildungen machen das Blättern zum Vergnügen,die Orientierung erleichtern Innenstadtpläne der wichtigsten Städte. Ein leider sehr knapper, in dieser Kürze eigentlich sinnloser historischer Überblick (weniger als zehn Seiten), der zudem in der Chronologie hin und her springt, leitet den Band ein. Man hätte vielleicht konsequenterweise ganz auf den Text verzichten sollen und es bei der fünfseitigen Zeittafel bewenden lassen können. Dieser Zeitleiste schließt sich eine Vorstellung prominenter Persönlichkeiten an, die in Schleswig-Holstein leb(t)en (darunter nur zwei Frauen). Unter dem historischen Gesuchtspunkt hatte die Vorgängerausgabe von Johannes Hugo Koch mit etwa fünfzig Seiten viel mehr zu bieten.

Diese Neuausgabe unterscheidet sich von dem älteren Band auch dadurch, daß hier die Orte nicht mehr in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden, sondern jeweils bestimmten Landschaften zugeordnet und dort im Zusammenhang besprochen werden. Lediglich die Landeshauptstadt Kiel mit knapp zwanzig sowie die Hansestadt Lübeck mit fast vierzig Seiten erhielten eigenständige Kapitel.

Als Anhang werden Fachbegriffe aus dem kunsthistorischen Umfeld erläutert sowie einige Literaturangaben gemacht, die aber allgemeine Literatur zu Schleswig-Holstein nicht berücksichtigt und einen etwas willkürlichen Charakter in der Zusammenstellung zeigt. Den Abschluß bietet, wie bei DUMONT üblich, der Teil "Praktische Reise-Informationen" mit vierzig Seiten, Personen- und Ortsregister schließen den Kunstführer ab. Ein schnelles Qualitätsurteil kann diesem Band eine gute Zensur geben, die Abbildungen, Stadtpläne und Beschreibungen der architektonischen und künstlerisch wertvollen Stätten in Schleswig-Holstein machen das Buch zu einem praktischen Reisebegleiter.