Autor: © Reinhold Wulff

Noch 1989 konnte der Conrad Stein Verlag behaupten, den einzigen deutschen Reiseführer zu Gotland im Programm zu haben. Jetzt gibt es mehrere auf dem Markt und die größte Insel der Ostsee (ein Topos in allen Reiseführern) ist nicht nur zum begehrten - und lohnenden - Ziel schwed ischer, sondern jetzt auch deutscher Touristen geworden. Was bieten die Reiseführer den Besuchern dieser Insel?

Gotland wird jeden Touristen schnell in den Bann ziehen. "Perle der Ostsee", "nordisches Orchideenparadies", "Sonneninsel", "mittelalterliches Schmuckstück", "Kulturjuwel" - alle diese Schlagworte findet man regelmäßig in Reisebüchern über Gotland, und alle stehen sie dort zu recht. Gotland bietet fast jedem etwas: Naturinteressierten eine vielartige Vogel- und Pflanzenwelt, Kulturbegeisterten die rund einhundert imponierenden Landkirchen sowie die Kirchen(ruinen) der Stadt Visby. Erholungssuchende finden eine abwechslungsreiche Landschaft mit Sandstränden, Klippen, Wäldern, Wiesen und Naturschutzgebieten. Wie kann sich eine deutsche Besucherin, ein deutscher Besucher für den Aufenthalt auf dieser Insel heute vorbereiten?

Handliches, kompetentes Augenpulver

Der Kieler Conrad Stein Verlag hat 1985 den ersten deutschen Reiseführer zu Gotland auf den Markt gebracht, dieses kleine Bändchen von Robert Bohn befindet sich jetzt in der dritten Auflage. Kompetent, aber sehr knapp erfährt die oder der Neugierige zunächst auf gut zwanzig Seiten Wissenswertes über Geschichte, Kultur und Landschaften dieser Insel, weitere zwanzig Seiten sind der traditionsreichen Stadt Visby gewidmet, dann folgt eine Klimatabelle (die besser im ersten Teil untergebracht gewesen wäre). Für die Nutzung auf der Reise etwas unglücklich gewählt folgen dann "Orte und Sehenswürdigkeiten" und anschließend "Die gotländischen Landkirchen" (sind letztere keine Sehenswürdigkeiten?). Das bedeutet, daß zum einen Informationen zu einem Ort an zwei verschiedenen Stellen im Buch zu suchen sind und zum anderen, daß die eine oder andere Information doppelt im Buch vorkommt, so erfährt man auf S. 85 und auf S. 110 wortgleich, daß "Bro 11 km nordöstlich von Visby an der Straße 148" liegt. Bei den Verweisen auf Seitenzahlen im Buch sollten Leserin und Leser im übrigen vorsichtig sein: Viele Verweise auf Seiten im Buch im Teil "Gotland von A - Z" wurden aus der ersten Auflage unkorrigiert übernommen - und stimmen in der erweiterten dritten Auflage nicht mehr (vgl. alle Angaben auf S. 162). Auch dieser Teil mit Hinweisen auf das tägliche Leben von Touristen ist zwar knapp, zeugt aber von den Erfahrungen eines regelmäßigen Gotland-Reisenden und ist auf jeden Fall nützlich.

Insgesamt ein billiges, kleinformatiges, sich auf das wesentliche beschränkende und sachlich korrekt informierendes Bändchen, dessen Format den Vorteil hat, leicht auch ins Fahrradgepäck zu passen. Der große Nachteil allerdings ist die gewählte Winzschrift, die kaum dazu einlädt, das Buch in der Vorbereitungsphase für eine Gotlandfahrt im ganzen durchlesen zu wollen.

Gotlands Kirchen

Ebenfalls im Conrad Stein Verlag erschien die deutsche Ausgabe eines schwedischen Klassikers. Erland Lagerlöf und Gunnar Svahnström sind zweifellos die kompetentesten Kunst- und Kirchenhistoriker für diese imponierenden gotländischen Sakralbauten. Nach einer sehr knappen allgemeinen historischen Einleitung und einer etwas ausführlicheren zur Kirchenkunst Gotlands werden sämtliche Visbyer Kirchen bzw. Kirchenruinen sowie die etwa einhundert Landkirchen detailliert beschrieben. Zahlreiche Abbildungen von Gotteshäusern und Details derselben sowie Skizzen ergänzen neben einem umfangreichen Glossar mit Wort- und ikonographischen Erklärungen dieses Handbuch. Zweifellos auf absehbare Zeit das Standardwerk für alle, die sich näher über die Kirchen Gotlands informieren möchten. (Unklar lediglich, welche Funktion der Herausgeber Robert Bohn bei diesem Band hatte.)

Trotz des stolzen Preises von fast fünfzig Mark ist diese Monographie sehr zu empfehlen. Wer allerdings Schwedisch lesen kann, dem bietet sich vor Ort die preiswertere Möglichkeit an, in den Kirchen kleine, mehr oder weniger ausführliche Broschüren für wenige Kronen zu erwerben. Teilweise liegen dies Blätter auch auf Deutsch oder Englisch vor, allerdings oft in miserablen Übersetzungen. Besser sind die deutschen Fassungen zweier vom gotländischen Fremdenverkehrsamt herausgegebener Hefte über die Insel, die in Visby zu bestellen sind (Adresse s. Kasten).

Schwarzweiße Bilder, bunte Sprache

Der Gotland-Führer von Ruth und Hans-Friedrich Baessler hat kaum größeres Format als der aus Kiel, ist dafür aber gebunden und mit einigen farbigen und zahlreichen Schwarzweißabbildungen versehen. Er wendet sich in seinem Duktus gerade an die Menschen, die vor einer Reise einen Roman über ihr Reiseziel erzählt bekommen und diesen mit schönen Bildern illustriert sehen möchten. Für die Reise selbst ist dieser Band weniger geeignet. Bei einem Preis von stolzen DM 44,- möchte man es ja auch nicht gerne unterwegs verknicken oder beschmutzen. Zudem macht die, sicherlich begründbare, formale Gliederung dieses Führers nach Themenbereichen es vor Ort schwer, alle Informationen zu einer Siedlung oder einer Sehenswürdigkeit schnell zu finden, Angaben über Roma z.B. sind auf mehr als fünf weit voneinander entfernt liegenden Seiten verstreut. Allgemeine Reiseinformationen fehlen ebenfalls, es werden aber Adressen angegeben, über die Materialien zu beziehen sind. Dieses Manko ist sicherlich leicht zu verschmerzen, denn so schwer wird es einem Mitteleuropäer nicht fallen, sich im täglichen Leben Gotlands zu recht zu finden.

Reizvoll kann der Band aus dem renommierten Prestel Verlag für alle sein, die über Architektur, Bildhauerei und Kunst der Insel informiert werden möchten. In der kunstgeschichtlichen Beschreibung der Insel liegt zweifellos die Stärke dieses Bandes. Allerdings scheint es Kunst nur bei den Wikingern und im Mittelalter auf Gotland gegeben zu haben, Kunst aus der Zeit nach dem 15.Jahrhundert findet jedenfalls bei den Baesslers nicht statt.

An dem Buch wird sich sicherlich der (oder die) vergnügen können, der an einer sehr verschnörkelten und teilweise altertümelnden Sprache seine Freude hat. Einige Beispiele: "Hütern der Küsten gleich, stehen Gotlands Rauks bis weit hinauf ins Land... Vor rund 400 Millionen Jahren, unvorstellbar fernen Zeiten, wogte in diesem Teil der Erde ein tropisches Urmeer... Ein eigenartiger Zauber überweht einsam im Wald dämmernden Steinsetzungen". Als Reisebegleiter ist es jedoch weniger geeignet.

Klassisch und kompetent

Die Kunst-Reiseführer des DuMont Verlags haben (meist zu recht) einen sehr guten Ruf und entsprechende Auflagenhöhen. Der Gotland-Band von Ulrich Quack gehört zweifellos zu den hervorzuhebenden Beiträgen in dieser Reihe. Relativ ausführlich geht der Autor auf die Geschichte Gotlands ein und betrachtet im folgenden, chronologisch und thematisch aufgebaut, die verschiedenen Baudenkmäler und Kunstschätze Gotlands. Der Hauptstadt Visby ist ein eigenes Kapitel gewidmet, anschließend werden die verschiedenen Inselregionen auf verschiedenen Routen "bereist". Ein Nachschlageteil zu den Landkirchen und Erläuterungen von Fachbegriffen beenden den ersten Teil des Buches, im letzten finden sich, vergleichsweise knapp, aber ausführlich genug, praktische Reisetips.

Sehr viele, hervorragende Farb- und Schwarzweißfotos sowie Grafiken runden den Band ab und machen Lust auf die Insel. Die Sprache ist dem Thema angemessen, sachlich bei Beschreibungen, durchaus engagiert bei der Schilderung historischer Greuel oder der faszinierenden gotländischen Kultur. Wenn auch das Schwergewicht in diesem Führer auf Kunst und Geschichte gelegt wird, so wird doch auch die Insellandschaft in Bild und Text nicht ganz vergessen. Sachliche Fehler finden sich kaum - ein ohne Einschränkungen zu empfehlendes Reisebuch. Nur die Schrift hätte auch hier etwas größer gewählt werden können. Der Autor hatte offensichtlich so viel zu erzählen, daß sein Manuskript die Seitenzahlvorgabe des Verlages wohl überschritten hat und man deshalb zu dieser kleinen Schrift griff. Andere Bände dieser Reihe sind lesefreundlicher gestaltet.

Der ausgezeichnete Schwede

Der Kunst-Reiseführer von DuMont ist das beste Buch zu Gotland auf dem deutschen Markt. Wer allerdings auch Schwedisch lesen kann, dem sei der Führer "Vägen till kulturen på Gotland" von Marita Jonsson und Sven-Olof Lindquist empfohlen. Dieser von dem Museum Gotlands fornsal herausgegebene Band enthält genau einhundert Orts- und Objektbeschreibungen, geographisch von Nord nach Süd geordnet. Kompetente Einleitungen führen in die Kulturlandschaft Gotlands, die Bebauung, die profanen und säkularen Architekturen ein. Die Ortskapitel sind ganz vorzüglich und durchgehend farbig illustriert. Zudem findet sich jeweils eine genaue topographische Karte, die selbst kleinste Waldwege aufführt und den Wandernden oder Fahrradfahrenden den Weg zum entsprechenden Objekt leicht macht. Die einzelnen Beiträge sind ausgezeichnet, verständlich, auf dem neuesten Stand der kulturhistorischen Forschung und lassen in ihrer Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Wer Schwedisch lesen kann: Ein besseres Buch zu Gotland läßt sich kaum denken. Da es zudem kaum teurer als der DuMont-Band ist, ist dieses Werk die Empfehlung. Ein Buch, in dem sich auch nach der Rückkehr von Gotland noch vorzüglich schmökern läßt.

Der ausgefallene Schwede

Gern hätte ich auch einen zweiten, das eben vorgestellte Buch ergänzenden schwedischen Reiseführer besprochen. Der Naturreiseführer des ehrwürdigen Bonniers Verlages hätte es verdient gehabt - nur sah sich dieser wohl nicht in der Lage, ein Rezensionsexemplar rechtzeitig zum Redaktionsschluß zur Verfügung zu stellen. Pech gehabt!


Gotland. Handbuch. Robert Bohn. Kiel: Conrad Stein Verlag, 3. Aufl. 1989. 172 S., Abb., DM 19,80.


Die Kirchen Gotlands. Erland Lagerlöf und Gunnar Svahnström. Kiel: Conrad Stein Verlag 1991. 285 S., zahlr. Abb., Karte, DM 49,80.


Gotland. Das Land der Entdecker und Gotland, zu beziehen über Gotlands Turistförening. Box 2081, S-621 02 Visby.

Gotland. Sonneninsel der Ostsee. Ruth und Hans-Friedrich Baessler. München: Prestel-Verlag. 1990. 364 S., zahlr. Abb., Karte, DM 44,-


Gotland. Die größte Insel der Ostsee. Ulrich Quack. Köln: DuMont Buchverlag, 1991. 312 S., zahlr. Abb., Karten, DM


Vägen till kulturen på Gotland. Marita Jonsson und Sven-Olof Lindquist. Visby: Gotlands fornsal, 1989. 212 S., zahlr. Abb., Karten, ca. DM 45,-. Zu beziehen über Gotlands fornsal, Visby.


Gotlands natur. En reseguide. Jens-Henrik Kloth und Ulf Lovén. Stockholm: Bonniers Fakta Bokförlag 1987. 186 S., zahlr. Abb., Karten, ca. DM 45,-.